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Katholizismusnicht:wenneseinemgelingt, sichvonihmloszureißen,sobleibt
manhalb tot und für immer gezeichnet zurück‘, so Jean-Paul Sartre.“232 Es ist
die Beschäftigungmit Jean Genet, die Winkler zu Sartres Studie Saint Genet.
Comédien etMartyr (1952, aufDeutsch zuerst 1982) führt,233 aus der er auch in
Muttersprache, dem letzten Teil seiner TrilogieDas wilde Kärnten, zitiert. Die
Überlegungen Sartres scheinen auf imRahmen einer empfundenenUnfreiheit
des Ichs gegenüber seinen Eltern, die „dasWort Homosexualität nie gehört“
habenunddaherniewussten,werersei:
Manwird nicht alsHomosexueller geboren, sagt Sartre, abermankann, je nachdenEr-
eignissenunddenReaktionendarauf, einHomosexuellerwerden.Alles hängt davonab,
wie man auf das antwortet, was einem von anderen angetan wird. Homosexualität, so
Sartre, ist etwas[,] dasvoneinemKind ineinementscheidendenMoment, einemMoment
desErstickens,entdecktodererfundenwird.234
Winkler lässt seinenHelden damit eine Passage aus Sartres Saint Genetunbe-
wertetparaphrasieren, inderesheißt:
Man ist nicht homosexuell oder normal geboren: jederwird das eine oder das andere, je
nachdenVorfällen seinerGeschichteundseiner eigenenReaktionaufdieseVorfälle. Ich
halte daran fest, daß die Inversionweder das Ergebnis einer pränatalenWahl noch das
einer endokrinenMißbildung ist, nochgardaspassiveundbestimmteResultat vonKom-
plexen:es isteinAusweg,deneinKindimMomentdesErstickensentdeckt.235
(Onnenaît pashomosexuel ounormal: chacundevient l’unou l’autre selon les accidents
desonhistoireet sapropre réactionàcesaccidents. Je tiensque l’inversionn’estpas l’effet
d’unchoixprénatal,nid’unemalformationendocriniennenimêmele résultatpassif etdé-
terminédecomplexes:c’estune issuequ’unenfantdécouvreaumomentd’étouffer.)236
Dieselbe Passage findet sich, neben zahlreichen weiteren Sätzen aus Sartres
SaintGenet, auch inWinklersDasZöglingsheftdes JeanGenet.237Sartreerscheint
232 JosefWinkler:DasZöglingsheftdes JeanGenet.FrankfurtamMain2010 [1992],S.94.
233 Cf.Winkler:Winnetou,Abelund ich,S. 54.
234 JosefWinkler:Muttersprache. In:Winkler:DaswildeKärnten.Menschenkind.DerAcker-
mannausKärnten.Muttersprache.FrankfurtamMain1995 [1979],S.473–849,hierS.800.
235 Jean-Paul Sartre: Saint Genet, Komödiant und Märtyrer. Deutsch von Ursula Dörren-
bächer. (GesammelteWerke,SchriftenzurLiteratur.)Reinbek1986,S. 128f.
236 Jean-Paul Sartre: Saint Genet. Comédien etMartyr. Paris 1952, S. 94. Cf. zu Sartres noch
früherer Theoretisierung der Homosexualität im Lichte dermauvaise foi: L’Être et le Néant,
S.98–102.
237 Cf.Winkler:DasZöglingsheftdes JeanGenet,S. 18,36,56,70–72,74f., 77,89,91,94,96.
5.2 LiterarischeDarstellungendesExistentialismusals Jugendkult 139
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur