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fenbart, so inClausPacks „Besuch inKafkanistan. Parabel inFormeinerPara-
bel“ (1952), in dem das Ich, das eine „Hornbrille à la Sartre“ trägt, in dem
wenigdurchsichtigennarrativenGeschehenein„Kontobuchdes JosefK.“42 auf
einer Parkbank findet. Die Präsenz des Seltsamen, des Fremden, desAbenteu-
erlichen inder zeitgenössischenLiteratur soll laut Lilly vonSauterdieLeserIn-
nenaus ihrerGefühlswelt lösen, diese „sollendasNichts sehen lernenunddie
Absurdität,diehinterunseremnachscheinbarprosaischerNormgeführtenDa-
sein steht.“43 Die sich primär auf Camus’ La Peste beziehende Einschätzung
steht imEinklangmit der aufrüttelndenAbsicht, dieKafka am27. Jänner 1904
ineinemBriefanseinen früherenMitschülerundFreundOskarPollak inWorte
fasst:
Wenn das Buch, das wir lesen, uns nichtmit einem Faustschlag auf den Schädel weckt,
wozu lesenwirdanndasBuch? […]Wir brauchenaber dieBücher, die aufunswirkenwie
einUnglück, das uns sehr schmerzt,wie der Tod eines, denwir lieber hatten als uns,wie
wennwir inWälder verstoßenwürden, von allenMenschenweg,wie ein Selbstmord, ein
BuchmußdieAxtsein fürdasgefroreneMeer inuns.44
Ebensounvergnüglich sollen existentialistischeWerkeauf ihr Publikumwirken,
manwünschees„anderGurgel zupacken“45 („noussouhaitions leprendreà la
gorge“46), auf dass esdieDingeneusehe, fordert Sartre inQu’est-ce que la litté-
42 ClausPack: Besuch inKafkanistan. Parabel in Formeiner Parabel. In: StimmenderGegen-
wart, 1952, S. 120–124, hier S. 120, 124. Über diesen Text hinaus finden sich, abweichend von
WebersAngabe, inderAnthologiewerdeausdemBereichdesExistentialismus„nureinmalein
Namegenannt“ (Weber: Stimmender Gegenwart, eineAnthologie, S. 16), nochmehrere Fälle.
Weber führt Andreas Okopenkos Text „Konversation“ an (in: Stimmen der Gegenwart, 1951,
S. 18–19), indemsichdasThemaSartre fürdas „seit dem letztenBakterienkrieg“hustende Ich
für ein sich anbahnendes Gespräch anbietet: „Sie gehen heute ins Theater? / Sind Sie nicht
auch,gnädigeFrau,derAnsicht,daßJeanPaulSartreeinigeSchuldamletztenKriegezuzumes-
sen ist?Siewürdensichgernemitmirunterhaltendarüber?Heuteabend,wennSiealleinsind,
sagen Sie?“ Weitere Verweise verschiedenen Umfangs erfolgen unter anderem in Gerhard
Fritschs „Der Augenblick der Bedienerin“ (in: Stimmen der Gegenwart, 1952, S. 78–82 [cf.
Kap. 6.2]), und in IngomarHartners „DieRechenmaschine“ (in: StimmenderGegenwart, 1954,
S. 217–220, hier S. 219), in demesüber die seinerzeitige Situationheißt: „Wir bauen alles um:
VolkwirdStaat,HeimatAufenthalt,GlaubeExistentialismus,KunstVirtuositätundsofort“.
43 L. v. S.: Porträt unseresHelden. In: EuropäischeRundschau 3 (1948), Nr. 17, S. 806–808,
hierS.807.
44 FranzKafka:AnOskar Pollak [27. Januar 1904]. In: Kafka: Briefe 1902–1924. (Gesammelte
Werke,hg.vonMaxBrod.)FrankfurtamMain1966,S. 27f.
45 Sartre:Was istLiteratur?,S. 174.
46 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 226.
6.1 Verflechtungen:KafkaundderneueKanon 155
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur