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Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
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demRückweg, öffnet der verunsicherteÜberbringer das versiegelteDokument, das auf seineErschießung lautet.DieWeltwird ihmabdiesemMoment fremd, dieUmgebungerhält,wiebei Sartre, plötzlich einenkomischenAnschein („un drôle d’air“190): Die Erde trägt „den Abdruck eines fremden Gesichtes“, sein Reisebegleiter hat nun „eine Fraglosigkeit der Kontur, die ihm selbst versagt blieb“191. Der Bote schießt sich selbst an, umSchlimmeremzu entgehen,wor- auf sich jedochaufklärt, dassdieOrder nur „einemerkwürdigeChiffre für den BeginnderAktion“war: Während er dalag, wich seineAuflehnung einer verzweifeltenHeiterkeit. Das Verbluten schien ihmdemEntweichen durch verschlossene Türen ähnlich, einemÜbergehen aller Posten. Der Raum, der nur durch die Helle der gegenüberliegenden Mauer wie von Schneelicht ein wenig erleuchtet wurde, enthüllte sich als Zustand. Undwar nicht der reinsteallerZuständeVerlassenheitunddasStrömendesBlutesAktion?192 Aichingers „DiegeöffneteOrder“ findet späterEingang indenBandRedeunter demGalgen, in dem sie von verschiedenenGrenzsituationen erzählt, von Tod, Angst undOhnmacht, und fragt: „Und sind nicht alle Geschichten, die jemals erzählt wurden, von Grenzen bestimmt gewesen und von bedrohten Gren- zen?“193 In ihren poetologischen Überlegungen „Das Erzählen in dieser Zeit“, die 1952 ebenfalls in den Stimmen der Gegenwart erscheinen, wird die Todes- nähezurSchreibhaltung: Sokönnenalle, die in irgendeiner FormdieErfahrungdesnahenTodes gemacht haben, dieseErfahrungnichtwegdenken, siekönnen,wennsieehrlichseinwollen, sichunddie anderen nicht freundlich darüber hinwegtrösten. Aber sie können ihre Erfahrung zum Ausgangspunktnehmen,umdasLebenfürsichundandereneuzuentdecken.194 Die Titelerzählung „Rede unter demGalgen“ illustriert, wie unter demGalgen Redende „vomLeben selbst“195 reden: EinVerurteilter klärt in einemMonolog die ZuschauerInnen seines Unglücks über ihr grundsätzliches Zum-Tode-Sein auf, weiß allerdings, dass er selbst durch den „Strick ummeinenHals“ nicht mehrTeil desGanzen ist:„Ichhab’sverlernt,demLanddieFurcht zuglauben, 190 Jean-PaulSartre:LeMur. In:Sartre:Œuvres romanesques,S. 227. 191 Ilse Aichinger: Die geöffnete Order. In: Aichinger: Der Gefesselte. Erzählungen (1948– 1952).FrankfurtamMain72010 [1991],S. 30–38,hierS.34,33. 192 Aichinger:DiegeöffneteOrder,S. 38,37. 193 IlseAichinger:DasErzählen indieserZeit. In:Aichinger:DerGefesselte,S.9–11,hierS.9. 194 Aichinger:DasErzählen indieserZeit,S. 10f. 195 Aichinger:DasErzählen indieserZeit,S. 10. 6.3 LiteraturunterdemGalgen:Grenzsituationen 181
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Existentialismus in Österreich Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Title
Existentialismus in Österreich
Subtitle
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Author
Juliane Werner
Publisher
De Gruyter Open Ltd
Date
2021
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-068306-6
Size
15.5 x 23.0 cm
Pages
378
Category
Kunst und Kultur
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