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Das Beispiel Bernhard zeigt, dass auchmanche, die ab den sechziger Jahren zu
SchlüsselakteurInnender literarischenAufarbeitungwerden, anfangsmitder „Do-
minanz apolitischer Literaturkonzepte und einer tendenziellen Abwendung von
zeitgeschichtlichen Themen“230 konform gehen. Eine Reihe von Werken wider-
spricht dieser Tendenz jedoch schon, bevor die sechziger Jahre-RomanevonHans
Lebert,ThomasBernhardundGerhardFritschschonungslosVerborgeneshervorho-
lenundenergisch„literarischesNiemandsland“231 beschreiten. ImZusammenhang
mit frĂĽhenAufarbeitungsversuchenwie inHerbertZandsLetzteAusfahrt (1953) fal-
lenvielfachNamenvonExistentialistInnen,soinWolfgangKraus’Nachwort:
Camus,der frĂĽheSartre,Malraux,GabrielMarcelundWolfgangBorchert sinddie eigent-
lichenZeitgenossenZands,obwohlnurBorchertderselbenGenerationangehörte.Wiesie
alle erkannte Zand die Verurteilung zu einemSchicksal, dasmannicht verändern, son-
dern indemmannursichselbstverändernkann.232
FritzHabecksProsadrehtsich lautAndreasWeberebenfallsumdie (existentia-
listischbeeinflusste)SuchenachSinnundWerten imeigenenLeben:
Einerseits repräsentiert er das geistige Klima der sich an konservativenWerten orientie-
renden offiziellen Kulturpolitik des österreichischenWiederaufbaus, andererseits ist in
seinemWerk der Einfluß des französischen Existentialismus (Albert Camus, Jean-Paul
Sartre) deutlich erkennbar. Habeck schrieb Geschichten vomWandel, vom Zerfall und
vomWeitermachen, umHaltungunddendamit verbundenenRest anWĂĽrde gegenĂĽber
demNihilismuszubewahren.233
GegenEndeseinesZeitromansDerRittaufdemTiger (1958) spieltHabeckexpli-
zitmit derOpferthese (cf. Kap. 3.2),wennerdiemit einemĂ–sterreicher verhei-
rateteFigurHelga,dienach1945nachDeutschlandausreist, darĂĽber sinnieren
lässt,dassÖsterreich„jabekanntlichunsererstesOpfer“war:
IchweiĂź durchmeinenMann,wie uns die Ă–sterreicher im Jahr 1938 empfangen haben.
IchweiĂź,wie sie sichden JudengegenĂĽber benommenhabenunddaĂź sie diewildesten
230 GüntherStocker:DerKalteKrieg inderösterreichischenLiteratur.EinÜberblick. In:Han-
selundRohrwasser (Hg.):KalterKrieg inÖsterreich,S. 59–80,hierS.62f.
231 McVeigh: Kontinuität und Vergangenheitsbewältigung in der österreichischen Literatur
nach1945,S. 217.
232WolfgangKraus. In:Herbert Zand: LetzteAusfahrt. RomanderEingekesselten.Wien, ZĂĽ-
rich1992,S. 295–302,hierS. 299.
233Weber:ĂśberdieKluft zwischenGenerationen, S. 16.Offenbar ausdiesenGrĂĽndenhalten
AndreasWeber und Jutta FreundHabeck für einender „wenigen ernsthaftenExistenzialisten
der österr. Literaturnach 1945“. Cf.WeberundFreund:Habeck, Fritz. In:Kühlmann (Hg.), in
Verbindungmit Aurnhammer et al.: Killy Literaturlexikon. Autoren undWerke des deutsch-
sprachigenKulturraums.Bd.4:Fri–Hap.Berlin2009,S.549–550,hierS. 549.
6.3 LiteraturunterdemGalgen:Grenzsituationen 191
Existentialismus in Ă–sterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ă–sterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur