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mäß Stellungnahme („par essence prise de position“285) und politisch, ohne
notwendigerweisepolitischenInhaltszusein:
Und ichglaubewirklich,daßeineeigentlichePolitisierung füreinEngagementnichtnot-
wendig ist; das ist nur die letzte Formdes Engagements. Engagement, das ist zunächst
die Anfechtung der Situation durch ein literarischesWerk oder derenAnnahme, gleich-
viel; jedenfalls heißt es anerkennen, daßdie Literatur ganz allgemein sehr vielmehr ist,
alswassiesagt.Sieschließtnotwendigdie InfragestellungdesGanzenein.286
(Eteneffet, jepenseque lapolitisationproprementditen’estpasnécessaireà l’engagement;
c’est la formeaboutiede l’engagement.Mais l’engagement, c’estd’abord la contestationpar
uneœuvre littérairedelasituation,ousonacceptation,peuimporte;maisentoutcasc’est le
fait de reconnaîtreque la littératured’unemanièregénérale, estbeaucoupplusvastequece
qu’elledit.Elle impliquenécessairement laremiseenquestiondel’ensemble.)287
Unterdenbis indieGegenwart reichendenDiskussionen inÖsterreichargumen-
tiert zuletztGerhardScheit inKritikdespolitischenEngagements (2016),Sartresei
„gegen das landläufigeMissverständnis zu verteidigen, er fordere die Politisie-
rungderKunst. […]DerKünstlerhatsich imGrundenur fürseineKunstzuenga-
gieren, es ist bloß die Frage, welche und worin sie besteht.“288 Idealerweise
machten es sich die SchriftstellerInnen, wie Sartre schreibt, zur Pflicht, gegen
dasUnrecht,woheresauchstamme,anzugehen(„deprendreparti contre toutes
les injustices, d’où qu’elles viennent“289), indem sie es literarisch sichtbarwer-
den ließen.Wesentlich ist allerdings zunächst die Bewusstwerdungüber die ei-
geneVerantwortung speziell dafür,was denLeserInnen enthüllt wird; darüber,
obman, wie Sartre zuspitzt, von „Schmetterlingen oder über die Situation der
Juden“290 („despapillonsoude laconditiondes Juifs“291) schreibt.Andersals in
DerBekenner.EinGesprächmitGünterGrasszuseinem70.Geburtstag. In:SchweizerMonats-
hefte77 (1997),Nr. 10,S. 16–18,hierS. 16.
285 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S. 276.
286 Jean-PaulSartre:Sartre.EinFilm.VonAlexandreAstrucundMichelContat,unterMitwirkung
vonSimonedeBeauvoir, Jacques-LaurentBost,AndréGorzund JeanPouillon.DeutschvonLinde
Birk. (GesammelteWerke.AutobiographischeSchriften,Briefe,Tagebücher2.)Reinbek1988,S.55.
287 Sartre:Sartre,S.83.
288 GerhardScheit:KritikdespolitischenEngagements.Freiburg,Wien2016,S. 558.
289 Sartre: Qu’est-ce que la littérature?, S. 283. Albert Camus äußert sich ähnlich in seinem
DiscoursdeSuède (Paris 1958,S. 14, 15),anlässlichderEntgegennahmedesLiteraturnobelprei-
ses 1957:DieSchriftstellerInnenstündennicht imDienstederer,dieGeschichteschreiben („au
service de ceux qui font l’histoire“), sondern derer, die sie erleiden würden („au service de
ceux qui la subissent“), was dieWeigerung zu lügen und denWiderstand gegen Unterdrü-
ckungbeinhalte („le refusdementir surceque l’onsaitet la résistanceà l’oppression“).
290 Sartre:Was istLiteratur?,S. 29.
291 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S.31.
202 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur