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teratur offene Plan: statt der „echt österreichischen Oblomowerei“ sei die Pa-
rolenun„Arbeit,Aktivität,positiveLeistung!“297
Auch die konservativ(er)en Periodika erachten es als notwendig, die
SchriftstellerInnen auf diemit ihremBeruf einhergehendeVerantwortunghin-
zuweisen. InderZeitschriftDieDrau stellt derHerausgeberRudolfFelmayer im
Artikel „DerDichterunddieZeit“Forderungen,diedurchausmit jenenSartres
imEinklangstehen:Literaturhabenichtmehrnur„[o]berflächlichablenkender
Unterhaltungzudienen“, vielmehrmüsse sie „einunbestechlicherGradmesser
derwahrenGesittungeinerEpoche“ sein: „Jede echteKunstleistung ist einBa-
rometer, dasmit erschreckenderGenauigkeit die jeweilig drohendeWetterlage
desMenschlichenanzeigt.“298
AuchBlätter,diedemExistentialismusausdrücklichablehnendgegenüberste-
hen,verlangennacheinemähnlichenliterarischenEngagement,etwadaskommu-
nistische Österreichische Tagebuch, demzufolge Kunst „immer auch Politik zu
sein“habe:„irgendetwaswird imWerkdesKünstlersmitschwingen,dasalsStel-
lungnahme, als geistige Verantwortung undMitverantwortung gewertet werden
muß.“299 Der dort ab 1948 als Redakteur tätige Ernst Fischer hält 1945, noch als
Unterrichtsminister, vor SchriftstellerInnen und JournalistInnen eine Ansprache
„zu der großen gemeinsamen und für jeden einzelnen bestehenden Verantwor-
tung“undbetont, „daß sie als Kämpfer imgesellschaftlichenLeben stehenmüs-
sen,daßsieStellungnehmenmüssenzudengroßenFragenunsererZeit.“300
Zeitloszuschreiben,posthumeBücher („des livresposthumes“301) zuverfas-
sen, sich nach „der überzeitlichenGeltung“ zu richten, könnenichtmehrMaß-
stab sein, sodermit einerArbeit zuGerhartHauptmannpromovierteRedakteur
297 Herausgeber, Verlag und Redaktion: ZumWiederbeginn. In: Plan 1 (1945), Nr. 1, S. 1–2,
hier S. 2. In dieser Hinsicht ist der Plan „das ebenso legendäre Gegenstück“ zu Alfred An-
derschsundHansWernerRichters ZeitschriftDerRuf, die „mit einemdezidiert jungenProfil“
auf „eingreifendenZeitkommentar“ zielt. Fischer: ZurGeschichte der deutschsprachigenLite-
raturzeitschriften 1945–1970, S. 15, 11. Zugleich enthält derPlanMahnungen zurVorsicht vor
Übereifer, vor allem Ilse Aichingers berühmten „Aufruf zumMisstrauen“ im Plan 1 (1946),
Nr. 7,S. 588:„Und[wir] sinddochschonwiederbereit, selbstsicherundüberlegenzuwerden,
zu liebäugelnmitunserenTugenden.Kaumhabenwir gelernt, denBlick zuheben,habenwir
auchschonwiedergelerntzuverachtenundzuverneinen.“
298 RudolfFelmayer:DerDichterunddieZeit. In:DieDrau1 (1950),Nr. 3,S.6–7,hierS.6.
299 Otto Basil, mit K. H. Waggerl, Viktor Matejka und Edwin Rollet: Der Schriftsteller und
seineVerantwortung.EineDiskussion. In:ÖsterreichischesTagebuch3 (1948),Nr. 12,S. 13–15,
hierS. 15.
300 Ernst Fischer: Im Kampf um ein geistiges Österreich. Aus einer Ansprache vor den
Schriftstellernund Journalisten. In: Fischer:Das Jahr derBefreiung, S. 93–97, hier S. 96, 93f.
[Zuerst in:NeuesÖsterreich, 13.06.1945.]
301 Sartre:Qu’est-ceque la littérature?,S.34.
204 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur