Page - 210 - in Existentialismus in Österreich - Kultureller Transfer und literarische Resonanz
Image of the Page - 210 -
Text of the Page - 210 -
der Mitglieder bisweilen „mit einer Literatur des Engagements“ gleichgesetzt
werden, konkret mit dem „Begriff von Engagement, Involviert-Sein und Pflicht
zur Stellungnahme, denSartre inWas ist Literatur? entwickelt hatte“329, soHel-
mutPeitsch.Magesdiesbezüglichauch„anbegrifflicherPrägnanz“330mangeln,
lassen die literaturtheoretischenÄußerungen der „Gruppe 47“ doch „bis in die
DiktionhineindieAdaptationderSartre’schenBegrifflichkeit“331erkennen.
Es ist schließlich Peter Handke, ein diese Art von literarischem Engagement
missbilligenderundamGruppengeschehenbisdatorechtunbeteiligterTeilnehmer,
der das Ende der Institution vorantreibt. Bei der ansonsten eher matten Tagung
1966 inPrincetonerregterAufsehen, indemerdie„Beschreibungsimpotenz“332der
deutschen Gegenwartsliteratur moniert, also das reine Beschreiben beanstandet,
das vielmehr einMittel seinmüsse, „über das Verhältnis von Ding und Bezeich-
nung, von SpracheundWirklichkeit nachzudenken“333. SeinemVerleger Siegfried
Unseld prophezeit Handke 1967, der „Rückschlag in einen trivialen Realismus“
endebald:„DieZeitderengagiertenLiteratur istvorbei, eskommteineZeitderRe-
flexion, hoffe ich, eine Zeit desNachdenkens überDenkschablonen, vielleicht ein
sprachlicherRealismusstatteinesbeschreibenden.“334 InderZeitschriftAkzenteäu-
329 HelmutPeitsch:ZurVorgeschichtedesHamburgerStreitgesprächsdeutscherAutorenaus
OstundWest:DieRezeptiondesKonzepts „Engagement“ inderBRDund inderDDR. In:Ha-
nuschek,HörnigkundMalende (Hg.): Schriftsteller als Intellektuelle. Politik undLiteratur im
Kalten Krieg. (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 73.) Tübingen 2000,
S.307–330,hierS.308.
330 ChristianSieg:Die„engagierteLiteratur“unddieReligion.PolitischeAutorschaft im lite-
rarischenFeld zwischen 1945und 1990. (StudienundTexte zur Sozialgeschichteder Literatur
146.)Berlin,Boston2017,S. 11.
331 Rahner: Jean-PaulSartrealsModelldes Intellektuellen,S.335.
332 Peter Handke: Zur Tagung der Gruppe 47 in den USA. In: Handke: Meine Ortstafeln.
MeineZeittafeln,S.47–52,hierS.47. [Zuerst in:konkret, Juni 1966.]
333 Jörg Magenau: Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47. Stuttgart 2015,
S. 184; cf. S. 142:BerührungspunktemitSartresEnthüllungspoetikbietetHandkesFaszination
„bei jedem Satz darüber, dass man etwas sagen konnte und das Gesagte damit tatsächlich
existierte.“ Einweiterer Aspekt, der ihm aus Sartres Frühwerk imponiert, ist der La Nausée-
Held „Roquentin, in der Fleischlichkeit und in der Aggressivität und Auswucherung der
Dinge,dieerwahrnimmt.“PeterHandke:Aber ich lebenurvondenZwischenräumen.EinGe-
spräch, geführt vonHerbert Gamper [1987]. Frankfurt amMain 1999, S. 232. HansMayer (Die
umerzogeneLiteratur,S.54 [HervorhebungimOriginal])hebtCamus’EinflussaufHandkeher-
vor: „Die frühen Erzählungen Peter Handkes sind undenkbar ohne Camus, also ohne den
‚Fremden‘, ohnedie ‚Pest‘,ohnediesonderbarePrivatphilosophieeinesmodernenSisyphus.“
334 PeterHandke: Brief vom27.01.1967. In:HandkeundUnseld: PeterHandkeundSiegfried
Unseld.DerBriefwechsel.Hg.vonRaimundFellingerundKatharinaPektor.Berlin2012,S. 59.
210 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur