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wichtigenBüchernund Informationenherbei.“347 FürdieMitgliederder später so
genannten „WienerGruppe“, die „imselbststudiummühsamkenntnisseüberdie
avantgardistischenbewegungeneuropas(undauchösterreichs)vordemkriegeer-
worben“348 haben, kann von einem systematischen Nachholen nach 1945 keine
Rede sein, berichtetRühm: „manmusste zunächst einmaldiewichtigstennamen
und titel herausfinden, umüberhaupt zuwissen,wonachman suchen sollte.“349
Die „bruchstückhaften informationen“ zu allem,was sich zwischenzeitlich inter-
national ereignet hat, wurden „gierig aufgenommen,weitergereicht,mühsam zu
einembild zusammengefügt“350, dasweniger einNebeneinander als eineDurch-
dringung vonverschiedenenStilrichtungendarstellt. Diese beimKulturtransfer
typischen Formen von Vermischung und Hybridität („formes demétissage et
d’hybridité“351) betreffennach1945hauptsächlichdenExistentialismusundden
Surrealismus, fürAndreasOkopenkokeineswegseinNachteil:
Den Eklektizismus, der sich aus dem Ansturm vieler literarischer Eindrücke zugleich
ergab, habe ich nie als schimpflich, sondern immer als ganz natürlich empfunden.Wie
abwegigwäre dochder Gedanke, daß ein einziger Philosoph oder Dichter den Stein der
Weisen gefundenhaben sollte, undwie unnatürlich die Forderung, nichts Vorhandenes
aufzugreifenoderabergeradeeineneinzigennachzuahmen.352
Avantgarde-AutorInnen lancierenden Zeitschrift neue wege (28.11.1950) sowie spätere Lektüre-
Erfahrungen, die Okopenko in (diesen abwertende) Verbindung zu Sartre bringt, etwa André
GidesDieFalschmünzer (05.07.1953:„KeinVergleichauchmitdemtendentiösen,armenSartre“)
undViktorFrankl (02.09.1950): „‚ObjektivesKorrelat‘ zuallemSubjektivenberuhigtunendlich.
Frankl istweiter als Sartre.“Frankls StudieÄrztliche Seelsorge.VonderPsychoanalyse zur Exis-
tenzanalyse (1946)wirdselten inRelationzumExistentialismusbesprochen,etwaimWienerKu-
rier (–n: Zwei Bücher aus Österreich, 28.03.1946), der Frankls Werk als „die Lehre von der
FreiheitderEntscheidung,vonderVerantwortung jedeseinzelnenseinemSchicksalgegenüber“
präsentiert.VonoffensichtlichenBerührungspunktenzeugenSätzeFranklswie:„Dasmenschli-
che Dasein ist Verantwortlich-sein, weil es Frei-sein ist“ im Kapitel „Allgemeine Existenzana-
lyse“ (Unterkapitel „Freiheit undVerantwortlichkeit“), oder: „DemZwang zurWahl unter den
MöglichkeitenentgehtderMensch inkeinemAugenblickseinesLebens.“ViktorE.Frankl:Ärzt-
licheSeelsorge.GrundlagenderLogotherapieundExistenzanalyse.Mit den „ZehnThesenüber
diePerson“.München2009,S.130,131.
347 Okopenko:MeineWegezumSchriftsteller,S. 114.
348 PeterWeibel: diewiener gruppe im internationalenkontext. In:Weibel (Hg.): diewiener
gruppe,S.763–784,hierS. 775.
349 Rühm:dasphänomen„wienergruppe“,S.17.
350 Rühm:dasphänomen„wienergruppe“,S. 17.
351 Espagne:LaNotionde transfertculturel,S. 2.
352 Okopenko:MeineWegezumSchriftsteller,S. 114.
214 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur