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Aussage, Anliegen, Bindung“401 verfüge. EineNähe besteht Fischer zufolge zur
VorstellungsweltdesMythosundderTheologie,die sichbegrifflich inZeitschrif-
ten-Titelnwie Sammlung,Wandlung, Begegnung,Aufbau oderDer Rufmanifes-
tiert und die als Erneuerungsrhetorik zumTeil schondenExpressionismus und
dasnationalsozialistischeSprechengefärbthat,nunallerdingsdabeihelfensoll,
der begriffslosenWirklichkeit „derTrümmerlandschaften, der Flüchtlingsströme
und der geöffneten KZs“402 sprachlich beizukommen. Dass „antifaschistische
Thesen in bester faschistischer Diktion“403 vorgetragen werden, beanstandet
schon imJahr1946OttoBasil;mancheAutorInnenbenützten„wahrscheinlichun-
bewußt–die ‚zackige‘AusdrucksweisedesDrittenReiches […], dieSätze sindbe-
tont hart und karg im Ausdruck: eine Sprache, die der Kaserne und dem
Rüstungskontoreignet.“404Esseinotwendig,soOscarPollakimOktober1945inder
Arbeiter-Zeitung,„diedeutscheSprachevonder fremdenfeindlichenVerspießerung,
VerkrampfungundVerballhornungzubefreien,diedieNazi ihrangetanhaben.“405
DassSartresSprachreinigungsichdazunichteignet,willAdornosRundfunkvortrag
„Engagement“ (1962) vermitteln: Anders als die engagierte Literatur, die sich der
Massengesellschaft alsbotschaftsschweres „Geblök“andiene, zugefällig,umetwas
umzustürzen, sollte Kunst autonom sein und durch ihre Ästhetik infrage stellen,
sollte„imSchockderUnverständlichkeit“ sichmitteilen,durch ihreSpracheander
Bedeutung rütteln und „durch ihre Sinnferne vorweg gegendie positiveUnterstel-
lungvonSinn“406 rebellieren.SolcheWerke,die,„durchnichtsanderesals ihreGe-
stalt, demWeltlaufwiderstehen“407, verfassten etwaKafkaundBeckett. Bei Kafka,
auch inHerbertMarcuses Augen der „ganzen Struktur nachRebellion“ gegen die
unversöhnlicheWelt, würden „die Verbindungen zur gegebenenWirklichkeit da-
durch zerschnitten, daß die Dinge bei ihrenNamen genannt werden, die sich als
401 Theodor W. Adorno: Jargon der Eigentlichkeit. Zur deutschen Ideologie. Frankfurt am
Main1997,S.4f.
402 Fischer: ZurGeschichte der deutschsprachigenLiteraturzeitschriften 1945–1970, S. 9. Cf.
Müller: Die Bannung der Unordnung, S. 189, 196: So ist der Grund, warum sich die in Kapi-
tel 6.3beschriebene„Heimatsucher-Literatur“derart leicht indenLiteraturbetriebderZweiten
Republik integrieren lässt, „die fastmüheloseAdaptierbarkeit bestimmter Anteile ihrer Spra-
che und ihrer Anliegen“: „Religiös getöntes Sprechenwurde nachdemZweitenWeltkrieg im
Rahmen eines konservativen kulturellen Klimas geschätzt, auch wenn dieses Sprechen ein
paar Jahrevorher füraktuelle faschistischeZweckeeingesetztwordenwar.“
403 Mayer:DieumerzogeneLiteratur,S. 19.
404 Basil:Stimmeder Jugend,S.307.
405 OscarPollak:EntfaschisierungderSprache. In:Arbeiter-Zeitung, 17.10.1945.
406 TheodorW. Adorno: Engagement. In: Adorno: Noten zur Literatur. Hg. von Rolf Tiede-
mann. (GesammelteSchriften, 11.)FrankfurtamMain41996,S.409–430,hierS.413,411.
407 Adorno:Engagement,S.411.
222 6 StimmenderGegenwart:ExistentialistischeLiteratur
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur