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demExistentialismus inĂsterreichvorallemvondenVertreterInnendesLogi-
schen Empirismus âreichen Spottâ66 ein. Nach 1945 stehen die UniversitĂ€ten
den Spielarten der Existenzphilosophie allerdings offener gegenĂŒber als dem
inzwischenmarginalisiertenNeopositivismus.
7.2 ZuruniversitÀtsphilosophischenAufnahme
desExistentialismus
IstdieösterreichischePhilosophiedesspĂ€ten19.und frĂŒhen20. Jahrhunderts
realistisch, empiristisch, sprachkritisch und szientistisch ausgerichtet, wÀh-
rend laut Peter Kampits die Wirkung von Transzendentalphilosophie und
Deutschem Idealismus âerstaunlich geringâ67 ausfĂ€llt, stellt die Nachkriegs-
zeit eine âenorme Deviationâ, einen âunglaublichen Bruchâ68 dar. Ăhnlich
wie der Literaturbetrieb sind die Hochschulen â ihrerseits von Ernst Fischer
alsâBrutstĂ€tten jenerReaktion,die imNaziwahnsinn ihren furchtbarenHöhe-
punkt gefunden hatâ69, bezeichnet â nach 1945 vonmangelhafter Entnazifi-
zierung bestimmt. ZumWiedereinsetzen teils belasteter HochschullehrerInnen
66 Leopold Prohaska: Existentialismus und PĂ€dagogik. Eine kritische Studie zum Aufbau
einerchristlichenPĂ€dagogikaufexistentiellerGrundlage.Wien,Freiburg1955,S.38.
67 Peter Kampits: Zwischen Schein undWirklichkeit. Eine kleine Geschichte der österreichi-
schenPhilosophie.Wien1984,S. 11f.Cf. auchRudolfHallersAufzÀhlungderCharakteristikaös-
terreichischer Philosophie: âerstens, in erkenntnistheoretischer Hinsicht, ein unbedingter
VorrangderErfahrungvorallenapriorischenPrÀformationen;zweitens,ontologisch,einerealis-
tische InterpretationderGegenstÀndederErfahrung (auchbeiMach,entgegendemweithinak-
zeptiertenScheinderOberflÀche); drittens eineDominanz sprachkritischerReflexion, die ihren
Höhepunkt inWittgensteinsBestimmungen imTraktat erfĂ€hrt,woesheiĂt, âallePhilosophie ist
Sprachkritikâ;undschlieĂlich,viertens,eineallgemeineOppositiongegendiePhilosophieKants
und des spekulativen Idealismus, die nahezu immer und jedenfalls in den allermeisten FĂ€llen
mit einer prononciert antimetaphysischen AttitĂŒde einhergeht. Daher auch die Ablehnung
derMöglichkeit synthetischerUrteile apriori, sowohldurchBrentanowiedurchMachund ihre
Gefolgsleute.âRudolfHaller:DiephilosophischeEntwicklung inĂsterreichamBeginnderZwei-
tenRepublik. In:Stadler (Hg.):KontinuitĂ€tundBruch,S.157â179,hierS.159f.
68 Haller:DiephilosophischeEntwicklunginĂsterreichamBeginnderZweitenRepublik,160.
69 Fischer: FĂŒr Freiheit undVernunft!, S. 86. Cf.WilliWeinert: Die Entnazifizierung an den
österreichischenHochschulen. In:Meissl,MulleyundRathkolb (Hg.):VerdrÀngteSchuld, ver-
fehlte SĂŒhne, S. 255â269. Cf. auch Roman Pfefferle undHans Pfefferle: Glimpflich entnazifi-
ziert. Die Professorenschaft der UniversitÀt Wien in den Nachkriegsjahren. Mit zahlreichen
Professorenportraits. (SchriftendesArchivsderUniversitÀtWien 18.)Göttingen 2014. Cf. Pfefferle
und Pfefferle: âEine peinliche Zwischenzeitâ. Entnazifizierung undRehabilitierung der Professo-
renschaftanderUniversitĂ€tWien. In:Koll (Hg.):âSĂ€uberungenâanösterreichischenHochschulen
1934â1945.Voraussetzungen,Prozesse,Folgen.Wien,Köln,Weimar2017,S.405â432.
7.2 ZuruniversitÀtsphilosophischenAufnahmedesExistentialismus 243
Existentialismus in Ăsterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ăsterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur