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papst Jean-Paul Sartre“173, demviele „dienen“174, denman verehrt „wie einen
Gott aus fremden Ländern“175, den man „grenzenlos bewundert“176. Ein mit
derart hohenWortenBedachter, einals absoluterDenker („penseurabsolu“177)
und Inkarnation des totalen Intellektuellen („incarnation de l’intellectuel
total“178) Bezeichneter, der sich unangefochten „the whole intellectual uni-
verse“179untertanmache,muss letztlichdocheinDorn imreligiösenAugesein.
SosiehtderTheologeFischl inSartreeher einenSektenführer:„InParisund in
anderen Städten Europas bildet sich eine Sekte von Intellektuellen, die sich
selbst ‚Sartristen‘nennen.“180 Die abwertendenBeschreibungenübenunbeab-
sichtigt einen kontraproduktiven Reiz auf eine bestimmte Zielgruppe aus, die
Jugendlichen: Gerade der katholischeWiderstand gegen den Existentialismus
lädt diesenmit subkulturellemKapital auf, etwa für den jungenAndreasOko-
penko,derEndedervierziger Jahre„demonstrativ“Kirchenverlässt, sobaldder
Prediger„denExistentialismusSartresverdammte“181.
173 FriedrichKnilli: SaintGenet–KomödiantundMärtyrer. In:Wort inderZeit 7 (1961),Nr. 3,
S.40–42,hierS.40,41.
174 Chastaing:ExistentialismusundBetrug,S.273.
175 Kräftner:PariserTagebuch,S. 120f.
176 Sperber: Nur eine Brücke zwischen Gestern undMorgen, S. 40. Auch die von Sartre als
dramatischer Schauplatz gewählte Hölle inHuis clos sorgt in diesem Licht für kuriose Deut-
ungen,wie in der britischenWeltpresse: „Sartres Botschaft ist einfach: Niemand kann seiner
eigenenPersönlichkeit entrinnen,undesnütztdeshalbnichts sichgegensichselbstaufzuleh-
nen. […] Nur fügt Sartre noch hinzu, daß jeder letzten Endes für seine Sünden büßenmüsse
und daß dazu eine biblische Hölle notwendig sei. Jeder trägt seine eigene Hölle in sich…“
o. V.: Stefan-Zweig-Roman in London verfilmt. Englische Kulturchronik imHochsommer. In:
Weltpresse, 10.08.1946.
177 Bourdieu:LeFonctionnementduchampintellectuel,S. 22.
178 Bourdieu:LesRèglesde l’art,S. 348.
179 PierreBourdieu:Sartre. In:LondonReviewofBooks2 (1980),Nr. 22,S. 11–12,hierS. 11.
180 Fischl: Idealismus,RealismusundExistentialismusderGegenwart,S. 315.Auchvonkom-
munistischer Seitewird aus diesemMetaphern-Fundus geschöpft, so etwa,wenn Sartre zum
„PseudoprophetenderFinsternisundderVerzweiflung“wird.E.K.:EineVerzerrungdesMen-
schen. In: Österreichische Zeitung, 15.11.1947. Im westdeutschen Kontext finden ebenfalls
viele zumsobeschriebenen„neuenGlauben“, begeisterthörtensichetwaHeinrichBöll,Wolf-
dietrich Schnurre und Siegfried Lenz „dieses neue Evangelium der sinnstiftenden Sinnlosig-
keit“an.WilliWinkler:DerSteinmetzundder liebeGott. In:DerSpiegel, 30.07.1990.
181 Okopenko:Engagement,S. 214.
264 7 DiePhilosophiedesExistentialismus inForschung,LehreundKritik
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur