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sche Tendenz des Stücks zumildern“162. Nichtsdestoweniger bittet Sartre in
einer – laut Torberg vomWeltfriedensrat orchestrierten – Pressekonferenz im
WienerHotelSacheram23.September1954umAbsage,währendbereitsdieGe-
neralprobe läuft:ErkönnedieAufführungzwarnichtmehrverhindern,„aber ich
protestiere gegen sie, weil sie geeignet ist, die Spannungen zwischen Ost und
West noch zu verschärfen.“163 Diese Einschätzung der politischenMacht seines
Stücks wirkt in Anbetracht der Heftigkeit, mit der kommunistischeMedien ihn
noch kurz zuvor als „Feind aller fortschrittlichen Gedanken und Hasser der
Menschheit, als Helfershelfer der amerikanischen Imperialisten“164 behandelt
haben,undder„Lobeshymnen“, zudenenSchmutzigeHändenun„rechtsstehen-
denZeitungen“165Anlassgibt, nichtübertrieben.DiebürgerlichePressehält das
WienerhateinenSchutzpanzerumsichaufgerichtet.Wasnicht50bis60Jahrealt ist,das läßt
er nicht an sein Gemüt heran. Gegen diese Lethargie, diesen Schutzpanzer anzukämpfen, ist
dieAufgabemeinerSpielplangestaltung,besonders imSonderabonnement“ (S. 301).
162 Epp: Kompromissloses Theater gegen Gefühlsträgheit undWohlstandslethargie, S. 300.
GünterAnders,dersichandersals indenspätenvierziger JahrennunmitSartreaufeinerWel-
lenlängebefindetund ihn1954 inWien trifft, stehtmit ihm insporadischemBriefkontaktund
schreibt ihmüberdenVolkstheater-Direktor: „ArmerEppl. [!]Vor einemhalben Jahrwurdeer
als prokommunistisch angegriffen, weil er im Volkstheater die deutsche Version von ‚Silver
Tassie‘vonO’Caseypräsentierthatte,diemeineFrauundichverfassthatten.“ [Übers.d.Verf.]
(„Pauvre Eppl. Il y a une demi[-]année [qu’]il fut attaqué commepro-communiste parce qu’il
avait pr[é]senté auVolkstheater la version allemande de ‚Silver Tassie‘ par O’Casey, quema
femme et moi av[ons] préparée.“ [!]) Briefwechsel Günther Anders – Jean-Paul Sartre.
25.09.1945–17.07.1970. Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien (LIT),
Sign.: 237/B1508. Anders’ letzter Brief vom17.07.1970, gerichtet anSartre undVladimir Dedi-
jer, thematisiert dasRussell-Tribunal. Auf ihre Initiative (gemeinsammitNoamChomsky) zu-
rückgehendundaufEinladungdesösterreichischenKanzlersBrunoKreisky findetvom11.bis
15. September 1972 inLinzdas„BertrandRussell CentenarySymposium“ statt, andemderge-
sundheitlich angeschlagene Sartre jedoch nicht teilnimmt: „It concerned the development of
economic imperialismsince thebeginningof thenineteenthcentury, and thepolitics of sphe-
resof influenceduring thesametime.“o.V.: IntroductoryNote. In:Spheresof influence in the
Age of imperialism. (Papers submitted to the Bertrand Russell Centenary Symposium, Linz,
Austria,September11th to15th, 1972.)Nottingham1972,S. 1.
163 Jean-PaulSartre:Sartre:„Ichprotestiere,kannaberdieAufführungnichtverhindern“. In:
Weltpresse, 23.09.1954.
164 o.V.: EinTheaterskandal. In:ÖsterreichischeZeitung, 30.11.1951. Zur tatsächlichenWirk-
samkeit ist auchMiloDors Stellungnahme aufschlussreich: LesMains saleshabe ihn so sehr
beeindruckt, dass es sein „Verhalten der Sowjetunion […] gegenüber auf lange Zeit, letztlich
bisheute,beeinflußt. IchbewunderedieklareEloquenz,mitderdieFranzosen ihreGedanken
zumAusdruckbringen.“Dor:AufdemfalschenDampfer,S. 204.
165 hs.:VielWasserum„SchmutzigeHände“. In:NeueWienerTageszeitung,24.09.1954.
8.2WendepunktWien:SchmutzigeHände 297
Existentialismus in Österreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Österreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur