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weitgehendunberĂĽhrtenĂ–sterreich jĂĽngerenLehrerInnen inzwischenals harm-
losgenug fürdieVerwendungalsLehrmaterial: ZusammenmitCamus’Literatur
werdensiezuKlassikern imSchulunterrichtunddamitauchschonbaldzurgeis-
tesveränderndenLektüre fürzahlreicheangehendeSchriftstellerInnen.30
Als Epochenetikett laut Jürgen Link „in der Regel primär philosophiege-
schichtlich definiert“31, bleibt dem Existentialismus in Österreich der Status
einer ernstzunehmendenPhilosophieaufgrundseinesNaheverhältnisses zuLi-
teraturundPolitik sowiedurchseineAusdrucksformenalsLebensstil zunächst
verwehrt. Nachdemdiese „philosophischeModeströmung inbreiten Schichten
dereuropäischen Intelligenz“32 ausdenKellerlokalenverschwindet,weitet sich
dieuniversitäreBefassungmit seinenErzeugnissen langsamaus. Zuvorwird in
wissenschaftlichenPublikationen– imTonähnlichderkatholischenKulturkri-
tik,mit der es zahlreichepersonelleÜberschneidungengibt– vor allemSartre
wortreich blockiert. Mit Ausnahmeweniger, aber durchauswichtiger Lehrver-
anstaltungen und Hochschulschriften in der Zeit der Erstaufnahme, etabliert
sichSartre ebensowieBeauvoir, Camus,Marcel undMerleau-Ponty alsVertre-
terInnen (und ScheinvertreterInnen) des Existentialismus akademisch erst in
den1970er Jahren.
Dass Sartre nachdemZweitenWeltkrieg auch inÖsterreich „einederGali-
onsfigurendes geistigen Lebens“33 verkörpert,wie Kampits in seinemNachruf
formuliert, lässt sich auf allen Ebenendes geistigen Lebens–wennauch teils
für überschaubare RezipientInnengruppen – belegen. Seinen Nachhall zu er-
messen, ein im21. Jahrhundert andauerndesProjekt,34 fĂĽhltmansich 1980bei
derPresse indesnochnichtbereit:„WelcheWirkungseinLebenundseinWerk
auf zwei Generationen der Intelligenz Europas, aber ebenso Japans, Afrikas
undAmerikashatten, ist auchheutenochnicht abzusehen.“35 Sartre selbst ist
30 Eine pessimistische Prognose zu einer den Existentialismus umfassenden gegenwärtigen
Schullektüre äußert Ernst Wirthensohn: Wann wehren wir uns endlich! In: Die Presse,
07.02.2015: „Die Tatsache, dass Fremdsprachen vor allemüber literarische Texte vertieftwer-
denkönnen, scheint keineRelevanzmehr zuhaben.DieFolge:Wurdennochvor einigen Jah-
rensehrhäufigWerkeenglischerundauch französischerLiteraturausgeliehen, soverstauben
nundieseRegale;EntlehnungensindeineSeltenheit geworden,dieMaturantenkennenkeine
Namen mehr wie Dickens, Austen, Woolf, Beckett, Steinbeck oder Flaubert, Zola, Camus,
BeauvoirundSartre.“
31 Link:DenormalisierungalsGrenzsituation,S. 265.
32 Benedek:Zweimal JeanPaulSartre. In:Tagebuch,03.01.1953.
33 Kampits: InFreiheit scheitern. In:DieFurche,23.04.1980.
34 Cf.etwadieBändeSituatingExistentialism (2012)vonJudakenundBernasconi sowieSartre
andthe International ImpactofExistentialism (2020)vonBetschartundWerner.
35 ile:EinLeitfossil. In:DiePresse, 17.04.1980.
318 9 „Ein toterSartre isteinguterSartre“.BilanzundAusblick
Existentialismus in Ă–sterreich
Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Title
- Existentialismus in Ă–sterreich
- Subtitle
- Kultureller Transfer und literarische Resonanz
- Author
- Juliane Werner
- Publisher
- De Gruyter Open Ltd
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-068306-6
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 378
- Category
- Kunst und Kultur