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Einleitung10
burger immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt2. Zwar hatte in
den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts Franz Bernhard von Bucholtz eine
neunbändige „Geschichte der Regierung Ferdinand[s] I.“ veröffentlicht, die von
Metternich selbst in Auftrag gegeben worden ist3. Dabei handelt es sich aller-
dings nicht um eine Biographie, sondern um eine Geschichte der Ereignisse des
16. Jahrhunderts, sofern der Herrschaftsbereich Ferdinands davon nur irgend-
wie tangiert war. Sein Ansatz war, die Regierung Ferdinands als „Mittelpunkt“
für die „wichtigeren Begebenheiten des sechzehnten Jahrhunderts“ zu nehmen,
während welcher „Grundlinien“ für die Stellung Österreichs in Europa gezo-
gen worden seien, die bis in die neueste Zeit reichten4. Doch ist es Bucholtz
nicht gelungen, die von ihm zusammengetragene gewaltige Stoffmasse zu
durchdringen, er blieb trotz etlicher diskussionswürdiger Thesen meistens in
einer Aneinanderreihung von Quellenauszügen stecken5. Als Materialsamm-
lung ist das Werk auch heute für jede Arbeit über Ferdinand I. unentbehrlich,
aber wegen seiner darstellerischen Unzulänglichkeit vermochte es nicht gegen
die das Geschichtsbild des deutschen, zumindest des protestantischen, Bil-
dungsbürgertums prägende Darstellung der Reformationszeit von Leopold von
Ranke aufzukommen. Ranke nun ist es gewesen, der Ferdinand in den Schatten
des großen Bruders Karl V. und auch seines Sohnes Maximilian II. gerückt hat,
in dem er im 19. und 20. Jahrhundert geblieben ist. Die Herrschaft Ferdinands
als Kaiser behandelte Ranke nur als Übergangszeit zu der Regierung Maximili-
ans6. Während Karl V. seitdem immer wieder namhafte Historiker in seinen
Bann zog7 und Maximilian wegen seiner eigentümlichen religiösen Haltung zur
Auseinandersetzung reizte, waren es stets nur einzelne Stränge der Politik Kai-
ser Ferdinands, die in ein paar Aufsätzen von Wilhelm Maurenbrecher und
Eduard Reimann sowie in einigen Dissertationen behandelt wurden. Eine zu-
sammenfassende, auf profunder Quellenkenntnis basierende und bis heute nicht
überholte Darstellung ihrer Grundzüge legte dann vor hundert Jahren Moriz
Ritter im ersten Band seiner „Deutschen Geschichte im Zeitalter der Gegenre-
formation und des Dreißigjährigen Krieges“ vor. Seine Beurteilung aber fiel
nicht eben günstig aus: Er vermißte in Ferdinands Regierung das „schöpferische
Eingreifen genialer Persönlichkeiten“ und die „ungewöhnliche Anspannung
sittlicher Kräfte“, konstatierte das Fehlen „starker Aktionen“ und die „Mängel
der Schlaffheit und Halbheit“8. So fand Ferdinand in der Geschichtsforschung
überwiegend Interesse als Bruder und Helfer Kaiser Karls V., was er zweifellos
jahrzehntelang in erster Linie gewesen ist, obwohl er als König von Böhmen
2 Neck, Konfessionalismus, S. 39
3 Sutter, S. 183*
4 Bucholtz 3, S. III–V (Vorwort des Bandes)
5 Sutter, der Bucholtz’ Arbeit in sympathischer Weise aufzuwerten sucht, räumt ein, das Werk
habe „dazu beigetragen, daß die folgenden liberalen Historikergenerationen keinen Anreiz fan-
den, ihre Arbeit und ihr Interesse der Herrscherpersönlichkeit Ferdinands I. zu widmen“ (S.
186*).
6 In dem Essay „Über die Zeiten Ferdinands I. und Maximilians II.“
7 Vgl. die Darstellung des Forschungsganges bis zu den eigenen Arbeiten bei Brandi, Karl V. 2, S.
22ff.
8 Ritter, Deutsche Geschichte 1, S. 259f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien