Page - 27 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 27 -
Text of the Page - 27 -
Ferdinand und seine Berater 27
mit Vorliebe neben der Heiligen Schrift die alten KirchenvÀter als AutoritÀten
heranzog. Sein zentrales Anliegen war die Einheit der Kirche. Als wesentliche
Voraussetzung dafĂŒr betrachtete er eine durchgreifende Reform der âpapisti-
schenâ Kirche, die er ebenso wie die âlutherischeâ von der âkatholischen Kir-
cheâ unterschied. Eine weitere AffinitĂ€t zu den Auffassungen Ferdinands und
seiner Berater lag darin, daĂ Witzel dem Kaiser eine âFĂŒrsorgepflichtâ fĂŒr den
Bereich der Religion und infolgedessen das Recht zugestand, im Interesse der
Wiederherstellung der Glaubenseinheit auch in kirchlichen Angelegenheiten
Vorschriften zu erlassen, wie es Karl V. mit dem Interim tat69. Lange forderte
Witzel das allgemeine Konzil und betete darum, aber das Tridentinum mit sei-
ner die Einheit der Kirche wenig fördernden und die Reform zunÀchst ver-
nachlÀssigenden Ausrichtung enttÀuschte ihn70. Weil er die GewÀhrung des
Laienkelchs sowie die Heiratserlaubnis fĂŒr Priester befĂŒrwortete â er hatte
selbst, obwohl zum Priester geweiht, geheiratet â hintertrieb Kardinal Hosius
seine Berufung zum theologischen Berater der Konzilslegaten der dritten Ta-
gungsperiode71. Im Jahr 1561 veranlaĂte Ferdinand die Promotion Witzels zum
Doktor der Theologie72.
Obwohl Ferdinand seit Beginn der fĂŒnfziger Jahre in seinen Erblanden den
Jesuitenorden förderte, von dessen TĂ€tigkeit er sich die RĂŒckgewinnung von im
Glauben Schwankenden fĂŒr die Kirche versprach, rĂ€umte er ihrem fĂŒhrenden
Kopf in Deutschland, Petrus Canisius, in den religionspolitischen Fragen nicht
mehr Einfluà ein als anderen73. Ferdinand schÀtzte den Jesuiten als Seelenhirten
und PÀdagogen und hÀtte ihn gern als Bischof von Wien gesehen74. Doch lieà er
sich weder auf eine von Ignatius von Loyola ĂŒber Canisius angeregte âSĂ€ube-
rungâ seines Beraterkreises ein75, noch wĂ€hlte er Canisius zum theologischen
Berater seiner Konzilsgesandten in Trient76.
Seine BeichtvÀter hat Ferdinand auf ihr seelsorgerliches Aufgabenfeld be-
schrÀnkt, auf unerbetenen Rat von ihrer Seite oder von anderen Geistlichen in
politischen Dingen reagierte er manchmal recht ungnÀdig77. Versuche der
pĂ€pstlichen Vertreter, ihn auf diesem Umweg den WĂŒnschen der Kurie willfĂ€h-
rig zu stimmen, sind in der Regel miĂlungen78. Der letzte Beichtvater des Kai-
sers, der Dominikaner Matthias Sitthard, der seit dem Sommer 1559 das Amt
eines Hofpredigers innehatte, scheint aus Erfahrung schnell gelernt zu haben.
69 Henze, S. 209ff, bes. S. 222ff u. S. 242
70 Ebda, S. 234ff; vgl. BĂ€umer, Witzel, S. 129f
71 NB II 1, S. 269f
72 Trusen, Einheit, S. 34
73 Das hagiographische Werk von Brodrick ist nur als Materialsammlung brauchbar, der politische
EinfluĂ von Canisius wird infolge der einseitigen Sichtweise maĂlos ĂŒberschĂ€tzt. Ausgewogener
sind die neuen BeitrÀge von Hofmann und Schatz.
74 Er bestellte ihn 1554 zum Administrator, aber Ignatius lehnte aus grundsÀtzlichen ErwÀgungen
ab, daĂ Canisius das Bischofsamt ĂŒbernahm (Brodrick 1, S. 329ff).
75 Lutz, Christianitas, S. 349
76 Sickel, Konzil, S. 249
77 Zwei Beispiele in NB II 1, S. 137 und S. 201
78 NB II 1, S. 96; s. auch unten Kapitel 1, S. 100
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂŒnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien