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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden34
eben keiner der zur Diskussion gestellten Wege sich als tauglich erwiese, und
für diesen Fall die Fortdauer des Friedens über den Reichstag hinaus bis zur
endlichen Vergleichung garantierte21 – wie es auch in jenem Reichstagsabschied
von Speyer schon einmal geschehen war22.
Ferdinand hat also das Angebot, die Religionsvergleichung erneut auf die
Tagesordnung des Reichstages zu setzen, im Sinne einer Wiedereröffnung der
Diskussion aufgefaßt, welche der alternativen Möglichkeiten am ehesten zu
einer befriedigenden Lösung führen könnte. Angesichts des erneuten Fehl-
schlags mit dem Trienter Konzil und des ungebeugten Widerstandes der Prote-
stanten zog er den Schluß, daß der auf dem Augsburger Reichstag von 1548
festgelegte Weg zur Einigung über das Generalkonzil, den Karl nach wie vor
für allein angemessen hielt, nicht erfolgversprechend genug sei und deshalb
auch andere Verfahren geprüft werden müßten. Für eine fruchtbare Erörterung
aber war Voraussetzung der Anstand, der – analog zu früheren Regelungen –
bis zu der vom Reichstag erwarteten Anbahnung der endgültigen Einigung
währen sollte. In diesem Sinne interpretierte er auch jene Formel, die zum
Kernpunkt des Ringens zwischen den Brüdern um Annahme oder Ablehnung,
Erfolg oder Mißerfolg des Gesamtwerkes von Passau werden sollte. Karls Räte
hatten sie sogleich als Gewährung dessen ausgelegt, was man den Protestanten
auf allen Reichstagen seit 20 Jahren verweigert habe, nämlich einer „paix per-
pétuelle“23, während Ferdinand ihnen erklärte, die Fassung der Bestimmungen
über die Religionsfrage werde insgesamt durch die Erklärung des Kaisers ge-
deckt, zu ihrer Bereinigung nur noch gütliche und friedliche Mittel anwenden
zu wollen24. Bei der letzten persönlichen Begegnung der beiden Brüder in Vil-
lach erläuterte er sie dem Kaiser als Parallele zu den in Regenburg 1541 und in
Speyer 1544 den Protestanten zugestandenen Formulierungen25.
Karl V. erblickte jedoch in der Gewährung des „beständigen Friedens“ die
Durchkreuzung seiner Religionspolitik: Nun hätten die Protestanten die Mög-
lichkeit, ohne Sorge vor Sanktionen das von ihm gewünschte Ergebnis zu ver-
hindern, das Interim und die mühsam erreichten religionspolitischen Erfolge im
Reich würden preisgegeben; so würde auf die Chance verzichtet, später bei
21 „Do auch die vergleichung durch der selben weg kainen wurde ervolgen, das alsdan nichts desto
weniger obgemelter fridstand bei seinen creften bis zu endlicher vergleichung besteen und blei-
ben solle“ (Druffel 3, S. 509). Die Formel ging auf einen sächsischen Vorschlag zurück, den die
Vermittler übernommen haben (so Luttenberger, Glaubenseinheit, S. 652 u. S. 663). Widerstand
Ferdinands dagegen geht aus den Protokollen nicht hervor. Moritz hatte verlangt, daß ein
Scheitern der Nationalversammlung nicht zum Ende des Friedens führen dürfe (Druffel 3, S.
485).
22 Aus dem Speyrer Abschied sind viele Formulierungen übernommen, das Bestreben, auf den
damals gefundenen Kompromiß zurückzugreifen, ist offensichtlich. Die ausdrückliche Nennung
wurde wohl aus Prestigerücksichten vermieden, hatte doch jener Abschied dem Kaiser 1544
scharfen Tadel des Papstes eingetragen (vgl. Brandi, Karl V. 1, S. 428).
23 Rye und Seld an Karl V., 15.6.1552 (Lanz, Corr. 3, S. 264)
24 Ebda, S. 265
25 Vgl. Karls Brief an Maria v. 16.7.1552 (Druffel 2, S. 681ff, bes. S. 683f.); ausführlich dazu Lutz,
Christianitas, S. 94ff
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien