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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden42
Ohne lange Umschweife – eine im üblichen Stil gehaltene zustimmende Wie-
derholung der wichtigsten Gesichtspunkte Selds wurde gestrichen bzw. auf
einen kurzen Satz reduziert – setzte der Römische König mit Kritik an dem
vorgeschlagenen Versteckspiel an: Ein derartiges Verfahren habe nicht nur den
Nachteil, den Reichstag erheblich in die Länge zu ziehen, es berge auch die
Risiken, daß die Stände in der Hauptsache, nämlich der Religionsvergleichung,
entweder zu überhaupt keinen Vorschlägen gelangen oder aber sich auf unlieb-
same Projekte versteifen würden. Dagegen setzte Ferdinand seinen Standpunkt,
man müsse sogleich die Initiative ergreifen, den Beratungen der Stände einen
konkreten Ansatz bieten bzw. ihnen den Weg weisen und ihnen dadurch zu
verstehen geben, daß man zu Ergebnissen zu kommen wünsche57, und legte als
seine Konzeption vor: In der Proposition ist anzuregen, nochmals ein Religi-
onsgespräch zu veranstalten, und zwar sogleich im Rahmen dieses Reichstages
selbst („und also der Reichstag und das Colloquii zusammen gezogen“); die
Ergebnisse sollen dann sofort vom Kaiser und einem Legaten des Papstes be-
gutachtet werden. Deshalb ist der Papst zu informieren, daß der Kaiser in
Wahrnehmung seiner Amtspflicht, weiteren Schaden für die Kirche zu verhü-
ten, die Beratung der Religionsfrage auf dem Reichstag für unumgänglich halte,
und um die Abordnung von mit den deutschen Problemen genügend vertrauten
Kardinälen zu bitten58, die ausreichend bevollmächtigt sein sollten, eine Religi-
onskonkordie mit Geltungsdauer bis zur Entscheidung eines Generalkonzils zu
fördern und vorläufig zu sanktionieren59. Ferner sind die geistlichen Fürsten
umgehend aufzufordern, noch vor Reichstagsbeginn auf Diözesansynoden,
zumindest aber mit ihren Domkapiteln und Theologen über die dogmatischen
Streitpunkte, aber auch über die Abstellung der Mißbräuche und die Bekämp-
fung der Sekten zu beraten, damit sie vorbereitet zum Reichstag kämen und die
benötigten Sachverständigen mitbrächten. Kaiser und König sollten ebenfalls
gesprächsbereite („schiedliche“) Theologen abordnen.
Mit diesem Bündel von Vorschlägen ging Ferdinand entschlossen über die
vorsichtige Zurückhaltung der Instruktion hinaus, die nur eine vorbereitende
Diskussion über ein Religionsgespräch, das als „kleinstes Übel“ und insofern
als eventuell gangbarer Weg betrachtet wurde, ins Auge gefaßt hatte. Er knüpfte
damit wieder an die Situation des Regensburger Reichstages von 1541 oder
sogar des Augsburger Reichstages von 1530 an. Auf beiden Reichstagen hatten
die beratenden Theologen beträchtliche Annäherungen erzielt, beide Male wa-
ren päpstliche Legaten zugegen gewesen; ihre Präsenz war wichtig, um der
Kurie die Notwendigkeit von Konzessionen vor Augen zu führen und zu ver-
den, von denen der erste (A) die Stellungnahme zur Religionsproblematik, der zweite (B) die zu
den übrigen Punkten konzipiert hat; offenbar ist der Schreiber B der wichtigere, denn er ist an
der Überarbeitung von Teil A beteiligt. Zum Inhalt vgl. Lutz, Christianitas, S. 225f; Wolf, Deut-
sche Geschichte 1, S. 660; Bundschuh, S. 43.
57 „...daraus die Reichsstend mörcken möchten, das Eur Lieb und Kay. Mt. nit allain desselbigen
wichtigisten und höchsten Artiggls, wie auch anderer notwendiger sachen halben...aufs furder-
lichist zu schliessen lust und naigung tragen“ (Ausf., S. 3).
58 Ferdinand schlug Pole, Morone und Bertano vor (vgl. Lutz, Christianitas, S. 226).
59 Hier liegen Ähnlichkeiten mit Ferdinands Vorschlägen von 1538 vor; vgl. unten Kapitel 6, S.
367; auch Bundschuh, S. 44, hat die Parallele gesehen.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien