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Zur Vorgeschichte des Augsburger Reichstages 43
meiden, daß es wie 1544 zu einem päpstlichen Tadel käme. Dabei stimmte Fer-
dinand durchaus mit dem Kaiser und Seld überein, daß das Generalkonzil der
eigentliche „kaiserliche“ Weg zur Wiedervereinigung in der Religion sei – es
wird zu zeigen sein, daß auch seine späteren Versuche, die Glaubenseinheit
wiederzugewinnen, immer ein Konzil als letzte Instanz berücksichtigen. Den-
noch ließ er eine zustimmende Passage zu der entsprechenden Erklärung in der
Instruktion aus seiner Stellungnahme streichen60, vermutlich um jede Abschwä-
chung seines Gegenvorschlags zu vermeiden. Vielmehr suchte er ihn als aus-
sichtsreich darzustellen durch Wiederholung seiner vorjährigen Behauptung,
„die leuth sein numer unsers ermessens des stritts in der Religion zimblich
muet, derwegen sy sich zueversichtlich zur verglaichung naigen und weisen
lassen werden“61.
Auf welche Informationen oder Indizien Ferdinand dieses Urteil stützte, ist
nicht zu erkennen. Seine eigenen Landstände zeigten jedenfalls keine Ermü-
dungserscheinungen bei ihren Forderungen, ihnen evangelische Glaubensaus-
übung zu gestatten; vielmehr sah er sich gerade in diesen Wochen genötigt,
ihnen wieder mit einer kategorischen Zurückweisung ihres Ersuchens um Ge-
stattung des Laienkelches entgegenzutreten62. Es könnte sein, daß der König die
Überlegung Selds bestätigen wollte, frühere Religionsgespräche hätten die Zahl
der kontroversen Punkte doch erheblich vermindert63.
Ebenso bleibt im Dunkeln, wie Ferdinand sich den Ausgleich im einzelnen
vorstellte64. Aber detaillierte Angaben hätten auch neue Angriffsflächen gebo-
ten. Weil der Kaiser hierzu keine Rückfragen stellte, fehlen von Ferdinands
Seite die Präzisierungen. Im Blick auf seine frühere und spätere Religions- und
Konzilspolitik besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß er in einer Ver-
ständigung über die Abstellung von „Mißbräuchen“ in der gottesdienstlichen
und kirchenrechtlichen Praxis unter Rücksichtnahme auf die Empfindlichkeit
der Protestanten in Kirchenbesitzfragen sowie einer Feststellung von dogmati-
schen Gemeinsamkeiten gegenüber den „Sekten“ den Weg erblickte, denn diese
Themen sollten ja für Augsburg vorbereitet werden. Für diese Annahme
spricht, daß er schon anderthalb Jahrzehnte früher einen Katalog von Vorschlä-
gen, die Abstellung von „Mißbräuchen“ betreffend, hatte zusammenstellen und
auf der Salzburger Provinzialsynode 1537 vortragen lassen65. Ferner enthält
eine Liste, die der Passauer Bischof Wolfgang von Salm im Herbst 1554 Herzog
Christoph von Württemberg zeigte und später auf dessen Wunsch zuschickte,
überwiegend Vorschläge zu diesen Bereichen, während die zentralen Unter-
schiede in der Lehre nicht berücksichtigt sind66. Ob es sich dabei um einen von
60 Ebenso wurde seine Zustimmung zur Ablehnung von Nationalkonzil und „Reichsversamm-
lung“ gestrichen (Konzept S.1).
61 Ausf. S. 6; die Stelle auch zitiert bei Lutz, Christianitas, S. 226.
62 Mecenseffy, S. 32f
63 Lutz/Kohler, S. 179
64 s. dazu auch die Überlegungen von Lutz, Christianitas, S. 226ff
65 Nähere Ausführungen zu Ferdinands religionspolitischen Erfahrungen in Kapitel 6; zu seinen
Vorschlägen von 1537 S. 365f.
66 Ernst, Bw. 3, S. 40ff; vgl. dazu Reichenberger, S. 9f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien