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Zur Vorgeschichte des Augsburger Reichstages 45
um, nicht aber bei den Heiligen geschworen werde – ein kleines Beispiel für die
unterschiedliche KompromiĂźbereitschaft der beiden Habsburger71.
Karls Reaktion auf Ferdinands Vorschläge war halbherzig: Er schrieb zwar
dem Bruder, ihre Vorstellungen seien ja gar nicht so weit voneinander ent-
fernt72, aber die umgearbeitete und erweiterte Proposition enthielt doch nicht
die vom König in seiner Stellungnahme gewünschte zielstrebige Initiative. Eine
klare – und zwar negative – Aussage machte sie nur zu der Möglichkeit „Natio-
nalkonzil“73. Das Generalkonzil wurde natürlich als bester Weg an erster Stelle
genannt; falls die Reichsstände sich dazu verstehen wollten, brauche man nur zu
beraten, wie die Hindernisse für ein Konzil beseitigt werden könnten. Das
Colloquium wurde als andere Möglichkeit genannt, aber nicht besonders emp-
fohlen, geschweige denn für die sofortige Durchführung am Reichstag plädiert,
denn zunächst wurde betont, wieviel Unbill der Kaiser wegen früherer Ge-
sprächsversuche erfahren habe; wenn indessen die Stände sich dazu entschließen
wollten, werde es den Majestäten recht sein und von ihnen gefördert werden74.
Auch die Briefe an die geistlichen FĂĽrsten, die Ferdinand gewĂĽnscht hatte, lie-
Ăźen gerade den Kernpunkt seiner Konzeption vermissen, das Colloquium eben
während des Reichstages durchzuführen75.
Wie wenig Nachdruck auch jetzt noch hinter den Reichstagsvorbereitungen
beider BrĂĽder stand, illustriert das Datum der Briefe, mit denen Karl Ferdinand
über die Umarbeitung der Proposition informierte: an diesem 8. April hätte
eigentlich in Augsburg die Eröffnung stattfinden sollen. Der König aber mach-
te, obwohl der Kaiser mittlerweile seine Kommissare ernannt und in Marsch
gesetzt hatte, noch immer keine Anstalten, sich nach Augsburg zu begeben. FĂĽr
den späteren Betrachter überraschend äußerte sich Ferdinand trotz der halbher-
zigen Änderungen der Proposition befriedigt; als Rechtfertigung für sein Säu-
men fĂĽhrte er an, daĂź die KurfĂĽrsten und einfluĂźreichsten FĂĽrsten sich wegen
der unsicheren Verhältnisse im Reich noch immer weigerten, persönlich beim
Reichstag zu erscheinen, und infolgedessen dort keine fruchtbaren Verhandlun-
gen geführt werden könnten; er verlangte erneut, der Kaiser solle vorher die
Angelegenheit des Markgrafen Albrecht entweder gĂĽtlich oder durch Vollstrek-
kung der Acht aus der Welt schaffen, damit eine adäquate Beteiligung der Stän-
de am Reichstag möglich werde76. In einem vertraulichen Schreiben nannte
Ferdinand indessen noch ein anderes Motiv fĂĽr das Ausbleiben der KurfĂĽrsten:
Sie fĂĽrchteten, einer neuen Initiative des Kaisers zugunsten der Nachfolge sei-
nes Sohnes Philipp im Reich ausgesetzt zu werden, und um groĂźen Ă„rger
(„grand egreur“) mit dem Kaiser zu vermeiden, zögen sie es vor, dem Reichstag
71 Ferdinand orientierte sich dabei am Passauer Vertrag (vgl. Smend, S. 179).
72 Karl an F., 8.4.1554 (Druffel 4, S. 445–450; franz.)
73 Dazu jetzt Laubach, Nationalversammlung, S. 41f.
74 Wortlaut der – schließlich verlesenen – Proposition bei Lehmann 1, S. 7–12; s. auch Bundschuh,
S. 46 Anm. 122. In seinem Schreiben an Ferdinand vom 8.4.54 in deutscher Sprache (Or. in
HHStA Wien RK RTA 28, Konv. 3 n.3) versuchte Karl, seine ZurĂĽckhaltung durch AnfĂĽhrung
einiger Bedenken zu erklären.
75 Vgl. Lutz, Christianitas, S. 229 (dort die Quellennachweise); dgl. Bundschuh, S. 47
76 F. an Karl, 26.4.1554 (deutsch) in HHStA Wien, RK RTA 28, Konv. 3 n.5
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien