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Zur Vorgeschichte des Augsburger Reichstages 47
Kaiser unerreichbar in Spanien sei, mithin ganz in eigenem Namen – was aber
bedeutete, in eigener Verantwortung und nicht im kaiserlichen Auftrag. Die
Reichsfürsten würden entsprechend unterrichtet und die Kommissare angewie-
sen, ihn zwar nach Kräften zu unterstützen, aber seine Entschlüsse nicht zu
behindern. Als ausschlaggebenden Grund für diese plötzliche Wendung gab
Karl – streng vertraulich – seine Skrupel in der Religionsfrage an, die Ferdinand
seit ihrer Unterredung in Villach bekannt seien83.
Heinrich Lutz hat eingehend und überzeugend dargetan, warum diese „volle
Übertragung der Verantwortung für die Reichstagsergebnisse“ auf Ferdinand
eine reichsrechtlich unhaltbare Konstruktion war: Als Römischer König konnte
Ferdinand, solange Karl als Kaiser lebte, nur in seinem Namen und kraft kai-
serlicher Beauftragung handeln. Und Lutz hat wahrscheinlich gemacht, daß es
Karl wohl mehr darum zu tun war, zwar „die Last des Reichstages auf Ferdi-
nand abzuwälzen, selbst aber die Dinge nicht aus der Hand zu geben“, d.h.
abzuwarten, was beim Reichstag herauskommen würde, und bei positiver Ent-
wicklung der sonstigen politischen Verhältnisse wieder die Führung zu über-
nehmen84. Hinzuzufügen ist die Frage, ob Ferdinand diese Intention ahnte oder
erkannte. Aufgrund seines Verhaltens in den Angelegenheiten des Reichstages
von diesem Zeitpunkt ab ist es wahrscheinlich, daß Ferdinand den Bruder
durchschaut hat, es aber vorzog, dessen Absicht schrittweise zu durchkreuzen.
In seiner Antwort85 machte Ferdinand weder den Versuch, dem Bruder seine
„Skrupel“ auszureden, noch ging er auf die Übertragung der uneingeschränkten
Vollmacht ausdrücklich ein. Er bemerkte dazu nur, mit der Religionssache lege
ihm der Kaiser eine schwere Last auf die Schultern, denn ihretwegen hätte er
sich seine Anwesenheit gewünscht. Anlaß zu größerer Eile sah er deswegen
jedoch nicht. Zwar war Markgraf Albrecht Alkibiades im Juni bei Schweinfurt
entscheidend geschlagen worden, so daß Hoffnung bestand, diese grobe Stö-
rung des Reichsfriedens, die bislang der Durchführung des Reichstages im We-
ge gestanden hatte, werde in Kürze überwunden sein86. Doch hielt Ferdinand
wenig von der Idee seines Bruders, den Reichstag zu eröffnen, bevor sich die
Stände von der Angst erholt hätten, die sie vor dem Markgrafen und anderen
Gefahren hatten87. Er versprach nur, zum Reichstag aufzubrechen, wenn er
einen wichtigen Landtag in Böhmen hinter sich gebracht und die ungarischen
Verwicklungen entwirrt hätte, nannte aber keinen neuen Termin, sondern
meinte, bisher sei ja nichts versäumt worden, da noch kein Fürst in Augsburg
eingetroffen sei. Mit diesen Argumenten beantwortete er in der folgenden Zeit
auch erneuerte Anmahnungen aus Brüssel88.
83 Karl an F., 8. (10.) 6.1554 (Lanz, Corr. 3, S. 622–628, hier S. 624); vgl. Lutz, Christianitas, S. 232
mit Anm. 149
84 Lutz, Christianitas, S. 232f; vgl. dagegen Brandi, Karl V. Bd. 2, S. 398: „Im Grunde ist dieser
Verzicht auf Mitwirkung an der Ordnung der deutschen Verhältnisse ... die tatsächliche Abdan-
kung Karls als deutscher König“.
85 F. an Karl, 24.6.1554 (Lanz, Corr. 3, S. 629ff, bes. S. 631)
86 Vgl. Laubach, König Ferdinand, S. 171; die Siegesmeldung bei Druffel 4, Nr. 449, S. 472
87 So Karl an F., 1.9.1554 (Lanz, Corr. 3, S. 640, zitiert von Lutz, Christianitas, S. 243)
88 So am 15.9.1554 (Lanz, Corr. 3, S. 644ff als Antwort auf ein Schreiben Karls v. 1.9.1554, ebda, S.
629ff)
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien