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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden50
Ansicht folgen werde101; schon dadurch wurde die uneingeschränkte „Heim-
stellung“ durchlöchert.
Hauptgegenstand von Kontroversen wurde die Frage der nominellen Ver-
antwortung102: Die Auffassung Ferdinands kam zum Ausdruck in den redak-
tionellen Überarbeitungen durch seinen Rat Zasius, nach denen überall vom
König als nur im Auftrag des Kaisers Handelndem gesprochen wurde; das wur-
de von Karls Reichstagskommissar Hornung beanstandet, der die Änderung der
Formulierungen im Sinne der „vollmächtigen Heimstellung“ verlangte. Zwar
erkannte man im Kreis der Berater Ferdinands, daß die unbedingte Vollmacht
den Vorteil bieten mochte, vielleicht doch einige bedeutende Reichsfürsten zum
persönlichen Besuch des Reichstags zu bewegen103; darum konzedierte der
König auch ihre Erwähnung in der Proposition. Dennoch entsprach die salo-
monisch erscheinende Entscheidung Ferdinands, die Streitfragen dem Kaiser
vorzulegen, voll seiner Position und wurde von ihm auch in seinem Begleit-
schreiben an Karl zum Ausdruck gebracht: Er übersende den Propositionsent-
wurf, „so im namen und von wegen Eur Lieb und Kay. Mt. auf disem vorsteen-
den Reichstag gethan werden soll“104. Wenn aber Ferdinand die Proposition
formal auf den Kaiser stellte, konnte er sie auch sachlich nicht ohne dessen Bil-
ligung ändern. Die Rückfrage hatte überdies den Vorteil, daß Karl „gerade um
der Negation einer Beteiligung am Reichstag willen antworten und Stellung
beziehen mußte“105. Karl reagierte zwar ganz im Sinne seines Kommissars und
ließ die Proposition so redigieren, daß an allen Stellen, wo der Kaiser als reichs-
rechtlich verbindlich handelnde Instanz erwähnt wurde, nunmehr nur der Rö-
mische König genannt wurde, traf aber außerdem einige Entscheidungen zu
Sachfragen106. So hatte Ferdinand doch erreicht, daß der Kaiser in der tatsächli-
chen Verantwortung blieb. Ein „Versehen“ der Brüsseler Kanzlei bei der Über-
arbeitung verschaffte ihm dazu einen zusätzlichen Trumpf: In der Narratio der
Proposition war die Wendung stehen geblieben, daß Ferdinand den Reichstag
„im Nahmen Ihrer Kayserl. Majest.“ leiten werde. Indem Ferdinand die von
Hornung geforderte nachträgliche Angleichung im Sinne der „Heimstellungs-
theorie“ mit der Begründung ablehnen konnte, der Kaiser habe den in Brüssel
redigierten Text genehmigt, blieb die letzte Verantwortung des Kaisers – gegen
die Intention Karls – öffentlich dokumentiert107. Die Taktik erwies sich inso-
fern als erfolgreich, als die Reichsstände in ihrer ersten Antwort auf die Propo-
101 HHStA Wien, Hs. blau 597/3, fol 269r-270v: F. an Karl, Augsburg, 15.1.1555
102 Eingehend vorgeführt von Lutz, Christianitas, S. 325f; ferner Lutz/Kohler, S. 17f u. 35f
103 Vgl. die Schreiben Giengers an Maximilian vom 4.1.1555 (Druffel 4, S. 560 Anm. 2) und an
Gerwig Blarer v. 11.1.1555 (Blarer 2, S. 375f).
104 F. an Karl, 6.1.1555 in HHStA Wien, RK, Religionsakten 25, fol 5 (Ausf.)
105 Lutz, Christianitas, S. 326
106 Lutz, Christianitas, S. 327f. Eine Sachentscheidung war die Streichung der Alternative „Reichs-
kreistag“.
107 Die Formel in der Proposition bei Lehmann 1, S.7 rechts unten. Dazu Lutz, Christianitas, S.
328; Lutz/Kohler, S. 49
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien