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Zur Vorgeschichte des Augsburger Reichstages 51
sition bestätigten, sie hätten begriffen, daß der König „in irer Kay. Mt. namen“
mit ihnen verhandele108.
Im übrigen quittierte Ferdinand Karls Beharren auf der „Heimstellung“ mit
der Bemerkung, er sei bereit, diese unerwünschte Bürde auf sich zu nehmen
und die Verhandlungen nach Maßgabe der letzten Resolution des Kaisers zu
führen; er hoffe bei der Religionsfrage auf die Unterstützung des angekündigten
päpstlichen Legaten Morone und gehe davon aus, „was wir also allhie handlen
und schliessen, das werden Euer Lieb und Kay. Mt. Iro auch bruederlich und
freundlich gefallen lassen und Irem bruederlichen und freundtlichen vertrauen
und beschehene haimbstellung nach genemb haben und halten“109. Der König
deutete damit an, daß er eine sich eventuell bietende Chance, in der Religions-
frage weiterzukommen, nutzen werde und vom Kaiser erwarte, daß dieser die
Ergebnisse dann auch akzeptiere. Die Betonung dieser Selbstverständlichkeit ist
ein weiteres Indiz, daß Ferdinand Sorgen hatte, bei unliebsamen Entscheidun-
gen von seinem Bruder desavouiert zu werden. Tatsächlich hat er die „Heim-
stellung“ im Sinne von Entscheiden ohne vorherige Rückfrage erst am Ende des
Reichstages in Anspruch genommen. Für die längste Zeit der Verhandlungen
war der Rückzug auf vom Kaiser einzuholende Willensäußerungen eine wert-
volle Waffe, um die Stände in Streitfragen zum Nachgeben zu bewegen.
Mit jener brieflichen Äußerung des Königs läßt sich eine Notiz in Hornungs
Protokoll nicht vereinbaren, nach der Ferdinand noch am 3. Februar 1555, also
zwei Tage vor der inzwischen schon terminierten Eröffnungssitzung des
Reichstages, die Frage gestellt habe, „ob der artikel der religion in der proposi-
tion bleiben zu lassen oder nit“110. Hornung hielt daraufhin ein Plädoyer gegen
die Behandlung: Er argumentierte, der Kaiser glaube nicht, daß zur Zeit „in der
streytigen religion etwas fruchtbarlichs auszurichten“, denn die Protestanten
würden sich auf den im Passauer Vertrag zugestandenen Religionsfrieden zu-
rückziehen, nach dem man wegen ihres Glaubens nicht gegen sie vorgehen
dürfe, und würden sich in allen Lehrfragen „vil mer halsstarriger und wider-
spenstiger erzaigen“111. Das klingt wie ein letzter Versuch, die von Ferdinand in
dem Ringen um die Konzeption des Reichstages erlangten Zugeständnisse wie-
der zurückzunehmen. Doch läßt es die Begründung, mit der die Streichung
schließlich verworfen wurde – daß der Kaiser die Proposition schon genehmigt
habe –, fraglich erscheinen, ob die Diskussion von Ferdinand ausgelöst worden
ist und nicht von Hornung selbst, der auf diese Weise einen durch seine In-
struktionen nicht gedeckten Vorstoß kaschiert hätte112.
Bilanzierend kann man Ferdinands Position bis zum Beginn des Reichstages
folgendermaßen umschreiben: Sein oberstes Ziel war ein stabiler Frieden im
108 Lutz/Kohler S. 48. Ganz abwegig ist Bergmann, S. 166, Ferdinand sei in Augsburg „der Sache
nach völlig als Kaiser“ aufgetreten.
109 F. an Karl, 29.1.1555, in HHStA Wien, RK RTA 28 Konv. 3 (Ausf.) fol 3. Hornung hielt in
seinem Protokoll die Wendung nahezu wörtlich fest (Lutz/Kohler, S. 42).
110 Lutz/Kohler, S. 43
111 ebda, S. 44; längeres Zitat bei Lutz, Christianitas, S. 330f.
112 Das scheint auch die Meinung von Lutz (ebda. S. 330) zu sein, der auf die Widersprüchlichkeit
nicht eingegangen ist.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien