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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden54
hat, könnte eine erste Reaktion auf eine tags zuvor erfolgte kursächsische Wer-
bung sein; Kurfürst August hatte darin sehr deutlich werden lassen, daß er al-
lein die „Einbeziehung der Religion und derselbigen anhengige güter“ in den
allgemeinen Frieden anstrebte, und zwar nicht wie bisher befristet, sondern auf
ewige Dauer, also einen immerwährenden Religionsfrieden, alle anderen Pro-
bleme aber dahinter zurückstellen wollte120. Dagegen hatte der in der Proposi-
tion totgeschwiegene Passauer Vertrag dem Reichstag die Erörterung der Frage
nach dem geeigneten Weg zur Überwindung der Glaubensspaltung zugewiesen.
Folgt man dem Passauer Protokoll, so ist Jonas sogar ein zweites Mal von sei-
nem Entwurf abgewichen mit der Bemerkung, da weder ein General- noch ein
Nationalkonzil zur Zeit durchführbar wären, ließe der König sich „bedenck-
henns weiß ein vertreulich guethertzig colloquium nit mißfallen“121. Demnach
hätte Ferdinand wenigstens ansatzweise die von ihm früher geforderte „Weg-
weisung“ versucht. Weiter konnte er jetzt aber nicht mehr gehen, da die Kom-
missare jede Abweichung von den kaiserlichen Vorgaben peinlich genau regi-
strierten, er aber gerade ihnen gegenüber von der „Heimstellung“ zur Begrün-
dung eigener Schritte keinen Gebrauch machen wollte122. Der Vorschlag, die
Beratung des Landfriedens vorzuziehen, war in erster Linie ein taktisches Ma-
növer, um die Chance für die Religionsverhandlungen offen zu halten, ohne
deshalb Zeit verlieren zu müssen. Denn nur mit einem gut besuchten Reichstag
konnte die Religionssache nach Ferdinands Vorstellungen zum Erfolg gebracht
werden, aber der Besuch, gerade auch von geistlicher Seite, war einstweilen sehr
schlecht123. Wenn man auf der Reihenfolge der Proposition beharrte, würde erst
einmal viel Zeit verloren gehen (wie es ja dann auch gekommen ist). Da war es
doch besser, mit dem Landfrieden anzufangen, zumal brauchbare Vorarbeit
schon geleistet war und Ferdinand an Fortschritten durch verbindliche Be-
schlüsse zu diesem Problem durchaus interessiert war124. Keineswegs wollte der
König durch diese Umstellung eine Vertagung der Religionsfrage vorbereiten,
wie es die Protestanten geargwöhnt haben125.
Die von ihm seinerzeit verlangte eindeutige „Wegweisung“ für die Reichs-
stände leistete der Vortrag seines Kanzlers jedoch auch nicht. Die zur Wahrung
der Verantwortlichkeit des Kaisers eingeschlagene Taktik, auf jeden Fall zu-
120 Instruktion v. 12.1.55 für die kursächsischen Vertreter (Auszug bei Druffel 4, S. 559f); vgl.
Schwabe, S. 232f; Wolf, Anfänge, S. 351
121 Passauer Protokoll, fol 4r
122 Die Diskrepanz zwischen Proposition und Jonas’ Ansprache muß also nicht mit einer „inneren
Unsicherheit“ Ferdinands erklärt werden, wie Lutz, Christianitas, S. 354 erwogen hat.
123 Die persönlich erschienenen Fürsten aufgeführt bei Häberlin 2, S. 530f
124 Die Umstellung der Reihenfolge bedeutet nicht, daß Ferdinand schon nicht mehr mit einem
Religionsgespräch gerechnet hätte (so Hollerbach, S. 200).
125 Vgl. Hornungs Notiz: :“Wo aber je die gemelte zwen artikel nit miteinander zu tractirn, das man
doch verdacht sein sollt und gewisheyt machen, wan auf ein ander zeit und welcher gestalt der
artikel der religion mocht erledigt werden. Ita ego intellexi.“ (Lutz/Kohler, S. 44, auch zitiert bei
Lutz, Christianitas, S. 354 Anm. 127). Jonas’ Redekonzept bringt das jedoch nicht deutlich zum
Ausdruck; wie es bei den Hörern ankam, zeigt das Passauer Protokoll: „...erstlichen den friden
furzunemen, damit dem anderen, der religion, alsodann desto rueiger und stattlicher mit wail
möge nachgesetzt und ausgewart werden“ (fol 4r). Ganz ähnlich das Mainzer Protokoll, das
Neuhaus, Reichstag, S. 57f zitiert.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien