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Eröffnung des Reichstages 55
nächst im Rahmen dessen zu bleiben, was Karl gebilligt hatte, hat Ferdinand für
die Eröffnungsphase die Möglichkeit genommen, das als eigentlich erforderlich
Erkannte offensiv zu vertreten.
Nachdem die Proposition verlesen war, mußte König Ferdinand als Vertreter
des Kaisers nach der „Geschäftsordnung“ des Reichstages abwarten, bis die drei
Kurien sich über ihre Stellungnahme verständigt hatten. Die Aussicht, sein
ursprüngliches Konzept für den Reichstag, die Religionsvergleichung, zu reali-
sieren, war gering geworden. Im Januar hatte Ferdinand wohl noch gehofft, daß
doch über die Religionsfrage verhandelt werden würde126, obwohl die Unter-
stützung durch Kaiser und Papst unzureichend war. Die Ankündigung, Moro-
ne werde als päpstlicher Legat zum Reichstag kommen, hat seiner Hoffnung
anscheinend Auftrieb gegeben, obwohl dieser von Ferdinand ja selbst ge-
wünschte Kardinal eigentlich ein entschiedener Kritiker seiner konzessionsbe-
reiten Haltung war. Doch die Erwartung, durch direkte Einwirkung auf per-
sönlich anwesende einflußreiche Reichsfürsten Fortschritte erzielen zu können,
brach im Februar endgültig zusammen, denn es wurde deutlich, daß kein Kur-
fürst persönlich erscheinen würde. Ferdinand mußte sich zu seinem Mißver-
gnügen damit abfinden, den Reichstag im wesentlichen „allein mit doctoribus“
durchzuführen127 und zu retten, was zu retten war.
Trotz des königlichen Drängens ließen die Reichsstände einen Monat ver-
streichen, ohne in ernsthafte Beratungen der Hauptpunkte der Proposition
einzutreten. Mit der Begründung, noch nicht ausreichend besetzt und unzurei-
chend instruiert zu sein, setzte der Kurfürstenrat mehrere Vertagungen
durch128. Erst Anfang März kamen die Dinge in Bewegung, nachdem Ferdinand
den Reichstag durch Jonas nochmals aufgefordert hatte, endlich mit den Ver-
handlungen zu beginnen, wobei er neben seiner langen Anwesenheit in Augs-
burg auf Meldungen über „schädliche Praktiken“ im Reich verweisen ließ129.
Die Möglichkeiten, welche die hergebrachte Spitzenposition auf der geistli-
chen Bank des Fürstenrates für Österreich bot, ließ Ferdinand von seinen Ver-
tretern in diesem Gremium – in erster Linie Zasius, neben ihm mehr repräsen-
tierend Wilhelm Truchseß von Waldburg – energisch ausnutzen. Gegen Salz-
burger Widerstand sicherten sie sich in der ersten Plenarsitzung den Vorsitz
und drängten ganz im Sinne der königlichen Ermahnungen auf sofortigen Be-
ginn der Beratungen beider Hauptpunkte; Hinweise auf die schwache Beschik-
kung oder mangelhafte Instruktionen wollten sie als „Ausflüchte“ nicht gelten
lassen und betonten Österreichs, d.h. Ferdinands Bereitschaft, die „verglei-
chung der religion“ zu fördern130. In diesem Zusammenhang empfahlen sie
auch die Bildung von zwei Ausschüssen, einen für den Landfrieden und einen
für den Weg zur Religionsvergleichung gemäß Passauer Vertrag, wie Jonas
angeregt hatte. Dafür fanden sie die Unterstützung Hessens, während die mei-
126 Vgl. Passauer Protokoll, fol 2r (zum 11.1.1555)
127 Lutz, Christianitas, S. 332. Herzog Christoph von Württemberg verließ Augsburg kurz nach der
Eröffnung wieder für einige Zeit und nahm auch später nur sporadisch teil.
128 Vgl dazu das Protokoll des Fürstenrates bei Druffel 4, Nr. 551, S. 575ff
129 Lutz/Kohler, S. 54; Friedensburg, S. 42
130 Passauer Protokoll, fol 6v-7v
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien