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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden56
sten geistlichen Stände für die „Einstellung“ der Religionsfrage, d.h. ihre Verta-
gung plädierten131. Ehe indessen eine Entscheidung über die Reihenfolge fiel,
akzeptierte die Mehrheit des Fürstenrates gegen die österreichischen Intentio-
nen den vom Kurfürstenrat gewünschten allgemeinen Aufschub. In den Anfang
März wieder aufgenommenen Diskussionen votierten Ferdinands Räte – ent-
sprechend der Aufforderung des Königs an den Reichstag – dafür, mit der Be-
ratung des Landfriedens zu beginnen, und es gelang ihnen auch, die Mehrheit
im Fürstenrat für diese Linie zu gewinnen132. Doch stieß man damit auf den
Widerstand des Kurfürstenrates. Als dessen Votum endlich vorlag133, beharrten
die österreichischen Vertreter gegen die zum Nachgeben bereite Mehrheit erst
auf der Priorität des Landfriedens und dann wieder auf der parallelen Beratung
von Landfrieden und Religionsartikel in den von Anfang an vorgeschlagenen
Ausschüssen, konnten sich aber nicht durchsetzen134. Unter protestantischen
Ständen erregte die gewünschte Bevorzugung des Landfriedens durch den Kö-
nig und viele geistliche Stände den Verdacht, auf diesem Weg sollten die Pas-
sauer Vereinbarungen umgangen werden, „das sie den frieden in religionssachen
diesmal nit worden schliessen wollen“135.
Vergleichbare Steuerungsmöglichkeiten im Kurfürstenrat hatte Ferdinand
nicht. Als König von Böhmen war er zwar selbst Mitglied des Kurfürstenkolle-
giums, aber es war seit langem nicht mehr üblich, daß der König von Böhmen
an den Reichstagen als Kurfürst auftrat, und auch Ferdinand hatte diese Praxis
fast immer eingehalten, übrigens in Übereinstimmung mit den böhmischen
Ständen136. So konnte er an den Beratungen der ersten Kurie nicht partizipie-
ren. Hinzu kam die dem König sehr ärgerliche Abwesenheit sämtlicher Kurfür-
sten, so daß auch die Möglichkeit entfiel, in direktem Gespräch auf die rheini-
schen Erzbischöfe oder die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg, zu de-
nen Ferdinand gutnachbarliche bis freundschaftliche Beziehungen unterhielt,
einzuwirken137. Die Sonderstellung des Kurfürstenrates war letztlich die Ursa-
che dafür, daß die Konzeption des Königs nicht zum Zuge kam. Nachdem die
Vertreter der geistlichen Kurfürsten ihre anfängliche Position, den Vorschlägen
des Königs entsprechend zu verfahren, aufgegeben hatten138, verteidigten die
kurfürstlichen Räte gemeinsam konsequent die Linie, sich über die anstehenden
131 Vgl. den württembergischen Bericht bei Ernst, Bw. 3, S. 76–78 u. 81, und die Protokollauszüge
bei Druffel 4, S. 575ff, danach Lutz, Christianitas, S. 356.
132 HHStA Wien, RK RTA 32, Fürstenratsprotokoll, fol 13ff; Reinschrift ebda, fol 215f
133 Am 7.3.1555 informierte Ferdinand den Kaiser über das Votum des Kurfürstenrats, „que lon
doibt en la negociation prefere larticle de la religion a celluy de paix et justice“ (HHStA Wien,
Hs blau 597/3, fol 279v).
134 Wie Anm. 132, fol 16ff; der Auszug bei Druffel 4, S. 589f, ist gar zu kurz.
135 Ernst, Bw. 3, S. 78 Anm. 7 (Kursächsische Gesandte) u. S. 86f (Pfalzgraf Ottheinrich); s. auch
PCSS 5, S. 587
136 Dazu Kühne, S. 30ff. Während des Reichstages 1530 hat Ferdinand als König von Böhmen
einmal persönlich an den Beratungen des Kurfürstenrates teilgenommen („gesessen und gefraget
wy eyn churfurste“). Der Hildesheimer Bischof Valentin von Tetleben, der das notiert hat, be-
merkte dazu, das sei gegen Brauch und Gewohnheit, Ferdinand sei „tamquam consiliarius et
frater imperatoris et Cesaris“ zugelassen worden (Grundmann, S. 76).
137 L. Schwabe meint (S. 230f), aus eben diesem Grunde sei August dem Reichstag ferngeblieben.
138 Wolf, Religionsfrieden, S. 43; Lutz, Christianitas, S. 356
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien