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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden62
zwischen den Vertretern der Protestanten und der geistlichen Fürsten über das
Problem sowie an den Umarbeitungen haben sich die Österreicher nicht betei-
ligt176. Eine abschließende Verständigung wurde nicht erreicht, vielmehr ge-
stand man den Geistlichen zu, ihren Einspruch in einem besonderen Artikel
anzumelden, da sie ihre Bereitschaft erklärten, sich dem Bescheid der Majestä-
ten auf jeden Fall unterwerfen zu wollen177. Dabei blieb es, obwohl der Vertre-
ter des Bischofs von Augsburg, Dr. Konrad Braun, am 23. März im Ausschuß
überraschend einen grundsätzlichen Protest seines Herrn gegen die Preisgabe
jeglicher geistlicher Rechte zu Protokoll gab; es gelang Zasius, von Baiern un-
terstützt, den Anschluß der anderen Geistlichen und damit eine Blockierung
der Ausschußarbeit zu verhindern178. Ferdinand empfand diesen Protest als eine
grobe Störung der Reichstagsarbeit und ließ dem Kardinal einige Tage später
mitteilen, er hätte, da er auch kaiserlicher Kommissar sei, diesen Schritt nicht
ohne seine vorherige Verständigung tun dürfen, erst recht nicht bei einer noch
gar nicht entschiedenen Angelegenheit179.
Im Kapitel über die Untertanen schlugen Zasius und Hundt eine gewichtige
Neuerung vor180. Zunächst wurde das schon in früheren Reichsabschieden
ausgesprochene Verbot wiederholt, Untertanen andersgläubiger Obrigkeiten
abzuwerben oder gegen deren Maßnahmen in Schutz zu nehmen. Den Unterta-
nen aber wurde ein Auswanderungsrecht aus Glaubensgründen zuerkannt.
Grundlage war Artikel 60 des Augsburger Reichstagsabschieds von 1530: Darin
war den katholisch gebliebenen Untertanen protestantischer Reichsstände aus-
drücklich erlaubt worden, ohne Nachteil für ihre weltliche Habe und ohne
Rücksicht auf eidliche Bindungen wegziehen zu dürfen181. Schon in den Ver-
handlungen über den Nürnberger Anstand von 1532 hatten die Schmalkaldener
das gleiche Recht für protestantische Untertanen katholischer Obrigkeiten
verlangt, es war von den vermittelnden Kurfürsten auch zugestanden wor-
den182, dann aber doch nicht in die kaiserliche Erklärung aufgenommen wor-
den183. Wenn jetzt paritätisch die andersgläubigen Untertanen das Recht zu
ungehindertem Abzug erhalten sollten, so mag die Einsicht zugrunde gelegen
haben, daß die Ausübung von Zwang gegen sie dem Frieden nicht förderlich sei
und man auf diese Weise am ehesten die Gefahr von Aufständen mit religiöser
176 Nach Ausweis des Protokolls; zur Sache Wolf, Religionsfrieden S. 92f
177 Artikel 17 im Entwurf des Fürstenrates (Brandis Zählung). Er erhielt die Benennung „Von der
Pfaffen Eid“. Angeregt hat diesen Ausweg anscheinend Zasius (so M.I. Schmidt 2, S. 40f und
Bucholtz 7, S. 183).
178 Druffel 4, S. 610; Wolf, Religionsfrieden S. 93 f. Der Protest, gedruckt bei Lehmann 1, S. 12r, ist
eingehend besprochen bei Rößner, S. 272ff.
179 HHStA Wien, RK RTA 29b, Konv. II Nr. 2b, fol 31r (Zasius’ Protokollauszug)
180 Wie Anm. 148, fol 15r/v. Endgültige Regelung in Art. 10 und 11 des Religionsfriedens.
181 Neue Sammlung 2, S. 314f.
182 DRTA 1532, S. 1273 und S. 1344/1345
183 Dazu Aulinger, Verhandlungen, S. 217; die anschließende Aussage, das beiderseitige Auswande-
rungsrecht sei im § 83 des Speyrer Abschieds von 1544 enthalten, ist unzutreffend.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien