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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden68
Religionsfriedens verletzt werden dürfe. Doch galt der Artikel als noch unver-
glichen.
Noch zäher war der Widerstand des Königs gegen den anderen Antrag der
Protestanten, auch den Untertanen Gewissens- und Bekenntnisfreiheit einzu-
räumen. Ferdinand sah darin eine gefährliche Beeinträchtigung der fürstlichen
Autorität und Verantwortung. Seine Vertreter im Ausschuß argumentierten,
aus der Freistellung der Untertanen werde einerseits „aufruer, ungehorsam und
widerspenigkait“ erwachsen, andererseits fühlten sich die katholischen Fürsten
gegenüber Gott und ihrem Gewissen verpflichtet, „das hayl und die selligkait
irer underthanen in dem glauben, den sy fuer den rechten und haylsamisten
erkenndten“, mit allen Kräften zu pflanzen und zu fördern207. Dagegen be-
harrten die Protestanten darauf, wenn man einen „richtigen Religionsfrieden“
haben wolle, dann müsse „die Conscienz nit allain den Stendt in den oberkai-
ten, sonder auch aller thaill underthanen in der Religion frey gelassen wer-
den“208. Der Hinweis der Katholiken, daß den Untertanen doch das „benefici-
um libere demigrandi“ [sic!] zugestanden werden solle, vermochte sie nicht
umzustimmen. So ließen der König und Herzog Albrecht am 3. April im Aus-
schuß die Erklärung abgeben, sie würden eher „alle sach zu trumeren lassen“,
als jene Klausel akzeptieren. Außerdem schickte Ferdinand Zasius zu Herzog
Christoph, um ihm als dem Vornehmsten der anwesenden Protestanten seinen
Standpunkt nochmals klarzumachen209. Auch in dieser persönlicheren Argu-
mentation bemerkte Ferdinand, es gehe ihm nicht nur um die Religion, sondern
auch um den Gehorsam seiner Untertanen, der im Falle der Freistellung nicht
mehr gewährleistet sei. Besonderen Nachdruck legte Ferdinand aber darauf, vor
dem Württemberger, der sich erst kürzlich ihm gegenüber auf sein Gewissen
berufen hatte, die anstehende Frage für sich zu einer Gewissenssache zu erklä-
ren und die Respektierung dieser Position zu verlangen. Er betonte, er sei nicht
weniger eifrig, „fur sich selbst und mitsambt iren geliebten Kindern und von
Gott bevolhnen underthanen der ewigen selligkait tailhafft zu werden, als je-
mandt anderer under dem hauffen“, und darum könne er es vor seinem Gewis-
sen nicht verantworten, wenn seine Untertanen ihre Seligkeit in einer anderen
Religion, die er nicht für richtig halte, suchen wollten. Er rede den Fürsten
nicht hinein, wie sie „in spiritualibus und temporalibus ire underthanen regier-
ten“, habe aber bei seinem Regierungsantritt in seinen Territorien beeidet, keine
andere Religion zuzulassen, als dort damals in Gebrauch gewesen sei210.
Schließlich drohte er an, wenn die Protestanten nicht einlenkten, werde er ab-
reiten.
Diese energische Intervention, vor allem die Berufung auf das Gewissen, er-
zielte bei Christoph den gewünschten Eindruck. Am nächsten Tag ließen die
Protestanten ihren zweiten Antrag fallen, jedoch nicht ohne zu versuchen, dafür
207 Zasius’ Auszug (wie vorige Anm.), fol 53r/v
208 Zasius’ Auszug, fol 53v
209 Zum folgenden Zasius’ Auszug, fol 54r-55v; längere Passagen bei M.I. Schmidt 2, S. 52f.; vgl.
auch Adler, S. 260f
210 Dabei schloß er die Utraquisten in Böhmen ausdrücklich ein (fol 55r), was M. I. Schmidt 2, S. 53
weggelassen hat.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien