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Erstes Eingreifen Ferdinands in die Sachgespräche 69
doch noch die allgemeine Freistellung aller Reichsstände einzuhandeln, aller-
dings ohne Erfolg. Am 5. April konnte Österreichs Vertreter im Fürstenrat das
Ergebnis mitsamt der vom Ausschuß gutgeheißenen Empfehlung referieren,
den Entwurf ohne weitere Debatte zu übernehmen und so dem Kurfürstenrat
zu übergeben211. Das wurde akzeptiert, mithin unterblieb auch eine Diskussion
über den unverglichenen Punkt der Freistellung.
Die Ausmerzung der allgemeinen Freistellung der Untertanen aus dem Für-
stenratsvotum war Ferdinands erster wichtiger und bleibender Erfolg. Die Ver-
antwortung der Landesherren für das Seelenheil ihrer Untertanen ist ein
Grundzug des Augsburger Religionsfriedens geblieben.
Noch am gleichen Tag übersandte der König das Bedenken des Fürstenrates
nach Brüssel, legte zur Erläuterung das Ergebnis der ersten Lesung mit den
Abänderungsanträgen der Geistlichen und der Protestanten bei und bat um
Mitteilung, ob der Kaiser daran „zu mindern, zu meren oder zu verändern“ für
nötig halte212. Es war nicht die erste Konsultation zum Komplex Religionsfrie-
den: Am 24. März hatte Ferdinand dem Kaiser das Schreiben der Naumburger
Fürsten zugestellt und um Stellungnahme gebeten, „damit wir unns in diesem
schweren und wichtigen Punct E.L. und Kay. Mt. willen nach desto pesser zu
richten und zu verhalten wissen“213. Es darf vermutet werden, daß es dem Kö-
nig nicht nur darum ging, sondern daß der Kaiser auch wissen sollte, wie delikat
sich die Situation in Augsburg gestaltete angesichts der kursächsischen Strate-
gie, den unbegrenzten Religionsfrieden als Vorbedingung aller weiteren Schritte
durchzusetzen214.
Durch seine Kommissare hatte Karl allerdings schon den Wortlaut nach der
ersten Lesung im Fürstenrat erhalten, der bei ihm großes Mißfallen hervor-
rief215. In Brüssel erkannte man wohl, daß der König um einige Zugeständnisse
nicht herumkommen würde; doch wurde diese Einsicht aus dem Konzept für
die Antwort gestrichen, ebenso ein feierlicher Gewissensprotest gegen Be-
schlüsse des Reichstages, durch welche die katholische Religion verletzt oder
beschwert werden würde; stattdessen wurde der König nur an die allgemeine
Anheimstellung aller Reichstagsangelegenheiten erinnert, während jede inhaltli-
che Anmerkung unterblieb216. Vertraulich ließ Karl den Bruder aber wissen,
daß er den Entwurf des Fürstenrates mißbilligte, weil die darin vorgesehenen
Konzessionen durch seine kaiserliche Autorität und die von ihm erteilte Voll-
macht gedeckt sein sollten; denn gerade das habe er ja wegen seiner religiösen
Skrupel nicht gewollt und deshalb verlangt, die Proposition allein auf den Rö-
211 Zasius’ Auszug, fol 57r/v; Wolf, Religionsfrieden, S. 100; Ernst, Bw. 3, S. 113 Anm. 4
212 Das Zitat nach Lutz, Christianitas, S. 362; stark verkürzt ist Druffel 4, S. 643, dazu die Korrek-
tur bei Lutz/Kohler S. 61 Anm. 106
213 HHStA Wien, RK RelA 25, fol 54r/v: Ferdinand an Karl, Augsburg, 24.3.1555 (Or.).
214 Ferdinand hielt den Wortlaut des Naumburger Schreibens sogar vor etlichen Mitarbeitern ge-
heim (HHStA Wien, Berichte aus dem Reich 4/I, fol 7v: Zasius an König Maximilian, 28.3.1555).
215 vgl. Lutz, Christianistas S. 362f
216 Druffel 4, S. 646–648: Karl an F., 8.4.1555
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien