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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden72
sitzstand des Jahres 1547 als Kompromiß ausgehandelt worden war226. Das
Problem der geistlichen Jurisdiktion, das dem Fürstenrat so große Mühe berei-
tet hatte, war nicht behandelt; man hatte die Frage diskutiert, aber schließlich
ausgeklammert227. Das Jus emigrandi der Untertanen, das Zasius von vornher-
ein zugestanden hatte, fehlte ebenso wie das im Fürstenrat zuletzt so heiß um-
strittene Begehren, ihnen die freie Wahl zwischen den beiden Konfessionen zu
gestatten228; der Kurfürstenrat war hier nicht über den Speyrer Abschied hin-
ausgegangen (Art. 10). Im Unterschied zur Befristung des Friedens bis zur end-
gültigen Vergleichung der Religion im Fürstenratsentwurf enthielt das Votum
des Kurfürstenrates die von Ferdinand so entschieden bekämpfte Festlegung,
wenn jenes Ziel auf den noch zu erörternden Wegen Generalkonzil, National-
versammlung, Colloquium oder Reichshandlung nicht erreicht werde, solle der
hier geschlossene Friede „ein bestendiger, beharrlicher, unbedingter, fur und fur
ewig werender“ sein (Art. 12)229.
Der Austausch der Entwürfe zwischen den beiden Kurien erfolgte endlich
am 24. April230. Wie erwähnt mußte der Entwurf des Fürstenrates noch umge-
arbeitet werden, weil der Mainzer Kanzler die Abfassung im „stilus cancella-
riae“ beanstandete231.
Vermittlungsbemühungen des Königs im Mai
Das Votum des Fürstenrates war insgesamt weiter ausgeführt und in manchen
Fragen präziser als der Entwurf des Kurfürstenrates. Mehrere Mitglieder der
Fürstenkurie hielten darum das eigene Papier als weitere Verhandlungsbasis für
tauglicher, und das war auch die Meinung Ferdinands232. Indessen hat der
Kurfürstenrat das Ergebnis des Fürstenrates überhaupt nicht beraten, während
sich der Fürstenrat der Mühe unterzogen hat, eine Synthese aus beiden Voten
zu finden. Das entsprach dem Interesse des Königs und wurde von seinen Ver-
tretern befürwortet. Die grundlegende Arbeit hatte wiederum der Ausschuß zu
leisten233. Nach längerer Debatte entschied sich das Gremium trotz aller Kritik
dafür, aus dem Papier des Kurfürstenrates die Reihenfolge der Punkte im Prin-
zip zu übernehmen und alles zu akzeptieren, was in der Substanz mit dem eige-
nen Entwurf übereinstimmte234, fügte aber aus dem eigenen Votum sieben Ar-
226 M. Simon, S. 57 Anm. zeigt, daß durch Hinzufügung der Worte „und seithero“ die Eindeutig-
keit wieder verloren gegangen war, was beide Seiten hingenommen haben, weil sie eine für sich
vorteilhafte Auslegung erkannten.
227 Kursachsen interpretierte das als Preisgabe, Kurmainz als stillschweigende Wahrung der geistli-
chen Rechte (Brandi, Religionsfrieden, S. 43, Anm. zu Art. 8).
228 Ein Pfälzer Vorstoß im März hatte nicht zum Ziel geführt, vgl. Wolf, Religionsfrieden, S. 59
Anm.
229 Die Formel war von Kursachsen hineingebracht worden, vgl. Schwabe, S. 240
230 Wolf, Religionsfrieden, S. 87
231 Ernst, Bw.3, S. XXXIX Anm. 5; diese „gültige“ Fassung gedruckt ebda, S. 143ff
232 Wolf, Religionsfrieden, S. 104; Lutz, Vatikanische Quellen, S. 392
233 Ernst, Bw. 3, S. 157f
234 HHStA Wien, RK RTA 32, fol 293v
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien