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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden78
Über einige wenige Formulierungen hatte man sich nicht abschließend geeinigt,
z.B. über die Jurisdiktion in den protestantisch gewordenen Bischofsstädten,
sah darin aber keine gravierende Klippe mehr266.
Mit diesem Kompromiß blieben die für Ferdinand wesentlichen Positionen
gewahrt: Die allgemeine Freistellung der Reichsstände war nicht expressis ver-
bis zugestanden, das selbständige Übertrittsrecht der Ritter und der Untertanen
verhindert, alle Konzessionen galten nur „bis zu entlicher vergleichung der
religion“, von einer „ewigen“ Dauer des Friedens war nicht die Rede. Die Sus-
pension der geistlichen Jurisdiktion tangierte Ferdinands Interessen wenig,
schon der erste Entwurf des Zasius hatte das Problem ja nur oberflächlich be-
handelt, und in der Frage der geistlichen Güter waren die Habsburger auch
früher zu Konzessionen bereit gewesen.
Zasius gab sich größte Mühe, um diese Vorlage bei den Katholiken durchzu-
bringen, denn er war sich darüber klar, daß Änderungswünsche die fast er-
reichte Einigung wieder gefährden mußten. Darum legte er sofort Einspruch
ein, als verlangt wurde, sämtliche Artikel nochmals im einzelnen zu beraten.
Sein Hauptargument war, daß die der Gegenseite übergebene Fassung – abge-
sehen von den offen gebliebenen Einzelheiten – nicht mehr zur Neuverhand-
lung stehe, und er scheint seine Ansicht als Willensäußerung des Königs vorge-
tragen zu haben. Damit provozierte er wiederum Entrüstung bei den anderen
Katholiken, die ihn daran erinnerten, er habe hier nur als Reichsstand Öster-
reich zu votieren. Er mußte zurückstecken, machte aber deutlich, er habe den
Auftrag, „die sachen ... zu befurdern sovil muglich, damit wir des religions fri-
dens einig wurden“267. Alle Geistlichen verlangten die Beschränkung des Sus-
pensionsartikels auf die Territorien der Protestanten und die Erweiterung der
protestantischen Schutzzusage an die Katholiken auf die bischöflichen Resi-
denzstädte; ferner wurden die Streichung des Artikels zugunsten der seit lan-
gem protestantischen Städte und die Aufnahme eines neuen Artikels verlangt,
der in denjenigen Reichsstädten den status quo gewährleisten sollte, die seit
dem Interim von 1548 beide Konfessionen zu dulden hatten. Die Vermittler
konnten sich mit ihren Einwänden nicht durchsetzen268.
Die katholischen Nachbesserungswünsche wurden von den Protestanten
zum Anlaß genommen, die Einigung doch noch zu verweigern. Die Entschei-
dung darüber fiel in einer Versammlung der protestantischen Mitglieder des
Fürstenrates, an der auch Räte der evangelischen Kurfürsten teilnahmen. Of-
fenbar gaben aber weniger sachliche Bedenken gegen das erreichte Ergebnis als
taktische Überlegungen den Ausschlag dafür. Der württembergische Gesandte
berichtete seinem Herrn, man habe in den Änderungsverlangen der Geistlichen,
die als unverzichtbar bezeichnet worden seien, das Bestreben erkannt, „die
freistellung an allen orten, da wir begert, die tacite mitinzuschliessen“, zu ver-
266 Ernst, Bw. 3, S. 182
267 Passauer Protokoll, fol 59v/60r
268 Passauer Protokoll, fol 60–62; Wolf, Religionsfrieden, S. 118f. Die katholischen Änderungen
auch bei Ernst, Bw. 3, S. 183 und S. 182 Anm. 2. Nach einem Vermerk des Münsterschen Ge-
sandten wurde erklärt, „daß man wyder als dis concept vermuge inen nicht nachgeben konnte“
(NWStA Münster, FML 473 Bd. 151, fol 65v).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien