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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden82
bleiben sollte289. Insgesamt hatten beide Seiten etwas nachgegeben, doch hatten
die Protestanten die Mehrzahl der von ihnen im Fürstenrat angemeldeten For-
derungen, wenn auch teilweise in abgemilderter Form, durchsetzen können290.
Als die Räte der Geistlichen als Lohn für ihr Entgegenkommen die Erlaubnis
zur Rückfrage bei ihren Herren erbaten, drohten die Weltlichen damit, in der
Zwischenzeit alle anderen Beratungen zu blockieren, so daß der König sich
veranlaßt sah, die Räte der katholischen Kurfürsten zum Verzicht zu bewegen.
Entstehung des „Geistlichen Vorbehalts“
Unverzüglich nahm Ferdinand im engsten Beraterkreis eine Prüfung des kur-
fürstlichen Votums vor291. Ferdinand entschied, daß alle Punkte, durch die die
Belange des Königs und des Hauses Österreich nicht weiter berührt würden,
nicht mehr angefochten werden sollten. Aber mit der grundsätzlichen Möglich-
keit für alle Reichsstände, zur Augsburgischen Konfession überzutreten, und
der ewigen Dauer des Friedens war die von ihm zwei Monate zuvor gezogene
Grenze zweimal überschritten. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Lage
erschien es als vordringlich, sich darauf zu konzentrieren, wie die „ergerliche
universalitet der freystellung etwas restringiert und gemessiget werden moch-
te“, während über die Dauer anscheinend nicht diskutiert worden ist. Zwei
Alternativen wurden ins Auge gefaßt, ohne daß Ferdinand einer von beiden den
Vorzug gegeben zu haben scheint292: Entweder die Beschränkung der Freistel-
lung auf weltliche Reichsstände oder die Aufnahme einer „Erläuterung“, nach
der geistliche Fürsten beim Übertritt zwar persönlich unbehelligt bleiben, aber
verpflichtet werden sollten, auf Amt und Benefizien zu verzichten – damit
nahm der die weitere Diskussion bald beherrschende Gedanke des „Geistlichen
Vorbehaltes“ erstmals Gestalt an. Der wesentliche Unterschied war, daß so
zwar keine Ausnahme von der allgemeinen Friedenszusage gemacht, stattdessen
aber festgelegt wurde, daß der Übertritt eines Geistlichen ipso jure den Amts-
verlust zur Folge haben solle293. Den veränderten Artikel über die Jurisdiktion
der Geistlichen sowie die Streichung ihres Gewissensvorbehaltes wollte man
dagegen hinnehmen. Maßgebend für diese Entscheidungen war einerseits die
Überlegung, es sei besser, den katholisch gebliebenen Rest möglichst zu bewah-
ren, als durch Unnachgiebigkeit bei schon verlorenen Positionen einen Krieg im
289 Wortlaut bei Wolf, Religionsfrieden, S. 127 Anm. Die Fassung wurde nahezu unverändert in den
endgültigen Text übernommen (Art. 8).
290 So auch die Bewertung bei Simon, S. 62, während Ernst, Bw. 3, S. LIII von einem „Rückgang
der protestantischen Sache“ sprach.
291 Grundlage der folgenden Ausführungen ist ein Brief von Zasius an Maximilian v. 5.6.1555
(HHStA Wien, RK RTA 30, fol 224–232, Kopie), den schon Adler, S. 262f, und Hartung, Karl
V., S. 149f, herangezogen haben; vgl. auch Wolf, Religionsfrieden, S. 129f. Das Protokoll Hor-
nungs schweigt über diese Beratungen; ist der Vertreter des Kaisers nicht hinzugezogen worden?
292 „haben die Khu. Mt. zwayen mitteln ... nachgedacht“
293 Zasius merkte an, man hoffe, daß mancher Prälat sich dadurch abschrecken ließe; es wäre ein
weiteres Beispiel für die geringe Meinung, die man in Ferdinands Beraterkreis von vielen geistli-
chen Würdenträgern hatte.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien