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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden84
schließlich auf sechs Änderungsanträge. Hauptpunkte waren die Einfügung des
einschränkenden „weltlich“ in die Friedenszusage der Katholiken an die Prote-
stanten und die Aufnahme eines kürzeren Gewissensvorbehaltes im Anschluß
an den Artikel [12], der die Dauer des Friedens auch im Falle eines Scheiterns
der Religionsvergleichung festschrieb, während die anderen, darunter die For-
derung, wieder 1547 als Normaljahr für den Besitzstand an geistlichen Gütern
einzusetzen, taktisches Verhandlungsmaterial waren, um Konzessionsbereit-
schaft demonstrieren zu können. Die Vertreter Österreichs hielten sich dabei
deutlich zurück, sie verzögerten die Beratung sogar einen halben Tag, weil sie
nicht vorbereitet wären; den Gedanken des „Geistlichen Vorbehalts“ legten sie
noch nicht vor.
Die Protestanten waren in internen Besprechungen zu der Auffassung ge-
kommen, daß man, wenn die Katholiken das kurfürstliche Bedenken akzeptie-
ren würden, das ebenfalls tun müsse298. Angesichts der Tragweite der Ände-
rungsanträge der katholischen Stände nutzten sie die Chance, jene als die Störer
der erstrebten Einigung erscheinen zu lassen, stellten sich hinter das Kurfür-
stenratsvotum und lehnten die katholischen Forderungen in der Sitzung des
Fürstenrates am 8. Juni rundweg ab299. Die Vertreter Österreichs haben die
katholischen Anträge mitvertreten, den Vortritt diesmal aber Salzburg und
Bayern gelassen300.
Es drohte also wieder ein gespaltenes Votum des Fürstenrates, und folge-
richtig schloß sich am Tag darauf, einem Sonntag, nochmals ein Vermittlungs-
versuch Österreichs an. Auch diese anscheinend ohne Absprache mit anderen
katholischen Ständen unternommene Aktion fügt sich in Ferdinands kontinu-
ierliche Strategie ein, deren Ziel das einhellige Votum aller Reichsstände war;
wenn es gelang, in einer so schwierigen Frage schon ein auch für ihn akzepta-
bles Einvernehmen der Stände herzustellen, brauchte er in seiner Stellungnahme
als König nicht mehr darum zu ringen. Der hohe Stellenwert dieser letzten
Vermittlung wird auch dadurch dokumentiert, daß drei Räte Ferdinands ein-
zeln bei verschiedenen protestantischen Ständen sondiert haben301. Ihr Angebot
ging dahin, sich dafür einsetzen zu wollen, daß die Katholiken auf alle anderen
Änderungsanträge und auch auf die ihnen bislang noch von Ferdinand zuge-
standene, von den weltlichen Kurfürsten so entschieden abgelehnte Protestation
verzichten würden, wenn die Evangelischen das umkämpfte „weltlich“ hin-
nehmen würden, und als Alternative für diese Beschränkung der Freistellung
auf weltliche Stände wurde nun der Grundgedanke des „Geistlichen Vorbe-
halts“, d.h. Verzicht eines übertretenden Prälaten auf das Amt und die damit
verbundenen Güter und Einkünfte vorgebracht. Die angesprochenen prote-
298 Ernst, Bw. 3, S. 214f.
299 Ernst, Bw. 3, S. 220f; Passauer Protokoll, fol 83v-84r. Nur der erweiterte Artikel über die
schwebenden Verfahren hatte beiden Seiten mißfallen und wurde einvernehmlich eliminiert.
300 Passauer Protokoll, fol 83r/v; das Protokoll des Fürstenrats im HHStA Wien, RK RTA 32
macht zu Österreichs Votum leider nur die Angabe „ut scitum“ (fol 358r).
301 Zasius bei Hessen, Wilhelm von Waldburg bei Württemberg, Ilsung bei Brandenburg-Küstrin
(Ernst, Bw. 3, S. 221f). Bei Wolf, Religionsfrieden, S. 132f, ist der Verlauf unklar, insbesondere
der Zeitpunkt der österreichischen Vermittlung.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien