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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden90
Genehmigung versage332. Aber Ferdinand entschied sich für die umfassende
Stellungnahme als die „via regia“. Er gedachte also nicht nur strittige Punkte
zwischen den Ständen gleichsam als Schiedsrichter zu begutachten, sondern die
zweite Stufe auf dem Wege zu einem Reichstagsabschied zu betreten, also die
Verständigung zwischen dem Herrscher einerseits, den Ständen andererseits in
Angriff zu nehmen. Für diese Entscheidung sprach sicher das Kalkül, daß es
später kaum noch möglich sein würde, weitere anstößige Punkte ändern zu
wollen, wenn er jetzt zu ihnen schwieg, weil das als Zustimmung ausgelegt
werden konnte. Dem Vertreter der Kurie versicherte er, den „perversen Ab-
sichten“ der Protestanten entgegentreten zu wollen, so viel ihm möglich sei
„und noch etwas mehr“333. Ferdinand nahm damit das Risiko eines protestanti-
schen Vorwurfs auf sich, wie ihn einige Räte befürchteten, „das nunmer gnug-
sam erscheinen tet, welchermassen die Kay. und Ko. Mt. zum frieden genaigt,
so sy auch etlich ding erregten und nit zulassen wollten, das doch die Catholici
oder stend der alten religion austrucklich bewilligt. Und wurd also der un-
glimpf, das alhie diser religionsfried nit zu erledigung und fruchtbarlichem
guetem end gebracht werden mogen, allermaist ob und an der Ko. Mt. lie-
gen...“334.
Natürlich war im Einzelfall abzuwägen, wo sich die Wiedereröffnung der
Debatte mit den Protestanten noch lohnte oder möglich war. Darum ist vorab
die Feststellung wichtig, daß Ferdinand der Mehrzahl der von den Ständen
ausgehandelten Artikel zugestimmt hat, die somit Bestandteile des Augsburger
Religionsfriedens geworden sind. Ohne jede Beanstandung blieben die folgen-
den Abmachungen: Das allgemeine Friedensgebot (Artikel 2), die Beschrän-
kung auf die beiden großen Konfessionen (Art.5), die Regelungen über die
geistlichen Güter und Abgaben (Art. 7 und 9), das Nichteinmischungsgebot
(Art.10) und die Derogationsklausel (Art.15). Die an den anderen Artikeln be-
absichtigten Änderungen lassen zwar die Tendenzen erkennen, die protestanti-
schen Forderungen einzudämmen335 und zu verhindern, daß die eigene Landes-
hoheit tangiert würde. Wichtiger ist aber das Bestreben, undeutliche Regelun-
gen präziser zu fassen – das wird in den Begründungen der Resolution mehr-
mals betont! Martin Heckel erkennt darin den Willen Ferdinands, dem ständi-
gen „Dissimulieren“ Einhalt zu gebieten, was jedoch nicht gelungen sei336.
So legte der König bei den gegenseitigen Friedenszusagen Wert auf möglichst
gleichlautende Formeln. Er verlangte, daß die Friedenszusage der Katholiken
(Art. 3) präzise für die Stände des Reichs ausgesprochen werden sollte. Durch
Einfügung der beiden bisher fehlenden Worte wollte er ausschließen, daß sich
Landstände auf diesen Artikel berufen könnten, wobei er sicher auch an seine
332 Lutz/Kohler, S. 78; vgl. Lutz, Christianitas, S. 369
333 NB I 17, S. 94: Delfino an Papst Paul IV., 29.6.1555
334 Lutz/Kohler, S. 78; zur Bedeutung des „unglimpf“-Arguments Luttenberger, Reichspolitik, S.
47f.
335 Lutz, Christianitas, S. 369
336 Heckel, Autonomia, S. 191 u. S. 195
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien