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Vorentscheidung im Juli und August: Resolution oder Prorogation 91
protestantischen österreichischen Landstände gedacht hat337. Zugleich wurde
mit dieser Klarstellung jedem Gedanken an eine allgemeine Freistellung für
jedermann der Boden entzogen. In der Resolution wurde zur Begründung aus-
geführt, es solle verhindert werden, daß irgendein nicht reichsunmittelbarer
Stand sich unter dem Vorwand, der Augsburgischen Konfession anzugehören,
seinem Herrn widersetzen könne und dadurch Auslegungsstreitigkeiten provo-
ziert würden338. Ebenso sollte bei der Friedenszusage für die Katholiken (Art.
4) nur von den Ständen der Augsburger Konfession die Rede sein und zwecks
Vermeidung von Mißverständnissen die nachfolgende Floskel auch sonst alle
anderen Stände getilgt werden, obwohl man wußte, daß sie auf Antrag von
Bayern und Salzburg eingefügt worden war. Ferdinand wollte verhindern, daß
irgendwelche Sekten, über deren Ausschluß man ja einig war, eine Hintertür
finden könnten, um sich doch auf den Frieden zu berufen. Ferner bestand der
König auf ausdrücklicher Erwähnung der beiden Majestäten neben den katholi-
schen Ständen; da sie ihrerseits versprächen, den Frieden zu halten, müßten sie
auch als seine Empfänger genannt werden339.
Das Recht auf Auswanderung aus Glaubensgründen sollte nach Ferdinands
Willen den kaiserlichen sowie seinen eigenen Untertanen nicht eingeräumt
werden. Hornung vermerkte in seinem Protokoll, es stehe den Reichsständen
nicht zu, den Majestäten solche Vorschriften zu machen, zumal die Niederlande
von der Jurisdiktion des Reiches seit dem Burgundischen Vertrag von 1548
exemt seien – also auch in Sachen der Politik und erst recht der Religion340.
Wahrscheinlich war das vor allem seine eigene Argumentation, die sich aber
Ferdinand, der jenem Vertrag seit jeher reserviert gegenüberstand341, anschei-
nend nicht voll zu eigen machen mochte, obwohl Karl V. in seiner einzigen
inhaltlichen Äußerung zum Votum der Stände eben diesen Standpunkt einge-
nommen hat342. So wurde zur Begründung der verlangten Ausnahme nur ein
vager Hinweis auf „allerley sonderbare Freyheiten und Herkommen Ihrer Maj.
unterschiedlicher Land Untertanen“ formuliert. Wenige Tage vor der Übergabe
der Resolution an die Reichstände wurde dieser Punkt – als einziger – noch
geändert und nunmehr die völlige Streichung des Auswanderungsrechtes emp-
fohlen, die knappe Begründung aber beibehalten343. Wie Ferdinand dem Kaiser
mitteilte, war eine Supplikation der schwäbischen Grafen und Herren der An-
laß, die diesen und einen weiteren Artikel als ruinös für ihre Herrschaften be-
zeichneten und um seine Ablehnung gebeten hatten344. Sie scheinen damit ge-
337 So bes. Adler, S. 266f; Petry, S. 156, sah darin sogar ein Leitmotiv Ferdinands. Während der
Verhandlungen im September wurde dieser Aspekt noch schärfer betont (Lutz/Kohler, S. 115).
338 Lutz/Kohler, S. 74; Lehmann 1, S. 33 l; Bucholtz 7, S. 196f
339 Lehmann 1, S. 35r; Bucholtz 7, S. 204; Lutz/Kohler, S. 75 mit Anm. 152
340 Lutz/Kohler, S. 76
341 Vgl. dazu Rabe, Reichsbund, S. 373ff
342 HHStA Wien, RK, RTA 29a I: Karl an Ferdinand, Brüssel, 7.7.1555 (Or.); größtenteils gedruckt
bei Groß/Lacroix 2, S. 93f. Auszug bei Druffel 4, S. 695f
343 Lehmann 1, S. 36 l; Bucholtz 7, S. 204f
344 Lutz/Kohler, S. 100; Druffel 4, S. 713: F. an Karl, 3. 9. 1555. Die Supplikation selbst wurde den
Ständen nicht weitergereicht, weil der königliche Rat befürchtete, „man wurd dadurch vil dis-
putation erregen“ (dazu Neuhaus, Reichstag, S. 196). Bemerkenswert am ganzen Vorgang ist
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien