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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden94
tes „Reichsstände“ verlangen wollen, später aber offenbar darauf verzichtet356,
so daß auch dieser Artikel unverändert übernommen worden ist (Nr. 8).
Ferdinand wollte die Resolution ausdrĂĽcklich kraft kaiserlicher Vollmacht
und Heimstellung erteilen. Ein schwacher Versuch Hornungs, diese Wendung
zu beanstanden, wurde vom Vizekanzler Jonas mit der scharfen Bemerkung
zurückgewiesen, wenn der König gewußt hätte, daß der Kaiser „allein irer Ko.
Mt. zu beschwerung und allen last auf sie zu legen, die vollmechtige heimstel-
lung getan hett, so wurde ir Ko. Mt. sich noch oft bedacht haben, eh und zu-
vorn sie diese heimstellung angenommen hett, eh und zuvorn sie auf disen
reichstag kommen“357. Das dokumentiert den Grad der Verärgerung in Ferdi-
nands Umgebung ĂĽber Karls Verhalten in dieser so wichtigen Frage, das man
wohl als Bestreben empfunden hat, sich vor der Verantwortung zu drĂĽcken358.
Wie sehr das Gebaren der Protestanten Ferdinand persönlich zuwider war,
wie stark ihn ihre Versuche empörten, für ihre Konfession Vorteile herauszu-
holen, belegt ein vermutlich kurz nach diesen Beratungen entstandenes, sehr
persönliches Dokument359: Ein an seine drei Söhne gerichtetes umfangreiches
Schreiben mit der mehrmals wiederholten Aufforderung, allezeit treu beim
katholischen Glauben zu verharren – man hat es deswegen als „religiöses Te-
stament“ bezeichnet360. Auf die Grundgedanken wird später zurückzukommen
sein, hier ist bemerkenswert die entrĂĽstete Kritik Ferdinands an den Protestan-
ten: Ständig verstoßen sie gegen den naturrechtlichen Satz „quod tibi non vis
fieri alteri non facias“, indem sie sich anmaßen, für fremde Untertanen die Er-
laubnis zu Abfall vom rechten Glauben und Ungehorsam in Glaubensdingen
gegenüber ihrer Obrigkeit zu beanspruchen, während sie von ihren eigenen
Untertanen Gehorsam verlangen und sie zum falschen Glauben nötigen, selbst
aber ihren rechtmäßigen Obrigkeiten, nämlich Kaiser und Papst, den Gehorsam
verweigern und wider göttliches Recht die Kirche ihrer Güter berauben und die
Restitution ablehnen361. Um so beachtlicher ist die staatsmännische Leistung
des Habsburgers, die Verhandlungen unter Hintanstellung seiner Empfindun-
gen erfolgreich zu Ende gebracht zu haben. –
356 Randnotiz Hornungs (wie Anm. 346), fol 83r: „hic secundum regem addendum Reichsstende“;
Begründung in seinem Protokoll: „dan sunst wurden denen vom adel und andern, so der Augs-
purgischen Confession seind, iurisdictio ecclesiastica nachgelassen“; (Lutz/Kohler, S. 76 mit
Anm.155; ihre Behauptung, Ferdinand habe die Modifizierung abgelehnt, ist nicht belegt.) Jo-
nas’ Entwurf gibt dazu keinen Hinweis mehr.
357 Lutz/Kohler, S. 77; vgl. Lutz, Christianitas, S. 365
358 Die Berufung auf die kaiserliche Vollmacht und Heimstellung ist in Jonas’ Entwurf (wie Anm.
331) am Rand nachgetragen. Da auch an einigen anderen Stellen die Rolle des Königs oder kai-
serliche Rechte durch solche Nachträge stärker betont werden, die auch in die Endfassung ein-
gegangen sind, kann man an eine erste Ăśberarbeitung des Entwurfs in ganz kleinem Kreis,
eventuell in Anwesenheit Ferdinands, denken, ehe dann die ĂĽberarbeitete Fassung jenem Gre-
mium, dem Hornung angehörte, vorgetragen worden ist.
359 HHStA Wien, HA FK A 2, 21 Seiten, unfoliiert, Reinkonzept (?), Augsburg, 10.8.1555. Zur
Ăśberlieferung vgl. Laubach, Mahnschreiben, S. 97 Anm. 16
360 So Maurenbrecher, HZ 32, S. 263, der es irrtĂĽmlich fĂĽr ein Kodizill zu Ferdinands Testament
von 1554 hielt; darin folgte ihm Holtzmann, S. 248
361 wie Anm. 359, Seiten 6 und 7
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien