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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden96
Ferdinands Begleitschreiben367 zur Resolution bietet der Interpretation eini-
ge Schwierigkeiten. Nachdrücklich widerriet er am Ende des Briefes unter
Hinweis auf die ungeklärte Lage im Reich, aber auch im Blick auf die ergebnis-
losen Friedensverhandlungen mit Frankreich368 der Abreise Karls nach Spanien.
Zur Stützung dieser Auffassung sollte ein längerer Überblick über den Stand
der Dinge am Reichstag, im Reich und in seinen Erblanden dienen. Darin be-
tonte Ferdinand den stockenden Verlauf der ständischen Beratungen über die
allgemeine Friedenssicherung im Reich und merkte an, er habe zuverlässige
Informationen, daß die protestantischen Fürsten Weisung erteilt hätten, wenn
seine Antwort zum Religionsfrieden nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfalle, die
Beratung der anderen Themen zu verweigern; das sollte wohl etwaiger Kritik an
der Hinnahme unliebsamer Punkte entgegenwirken. Er schilderte ferner die
gespannte Situation an seiner Südostgrenze, die eigentlich seine Anwesenheit
dort erfordere, und knüpfte daran den überraschenden Gedanken, den Reichs-
tag in Kürze abzubrechen bzw. zu vertagen, weil wegen der Abwesenheit der
Kurfürsten und Fürsten nichts Fruchtbares herauskäme, und im nächsten Jahr
bei persönlicher Anwesenheit sowohl der Fürsten als auch nach Möglichkeit
des Kaisers einen neuen Anlauf zu nehmen; für die Zwischenzeit könne man die
Geltungsdauer des Passauer Vertrages verlängern. Mit der dringenden Bitte, der
Kaiser möge seine Ratschläge umgehend mitteilen, war die Bemerkung verbun-
den, wie auch immer seine Meinung ausfalle, sie müsse unbedingt geheim ge-
halten werden.
Stutzig macht zunächst der Hinweis auf die notwendige Geheimhaltung.
Gedachte Ferdinand noch damit zu taktieren, der Kaiser lehne gewisse von den
Ständen vereinbarte Punkte ab bzw. er selbst könne aus Rücksicht auf den
Willen des Kaisers manches nicht bewilligen? Fürchtete er, es werde die Hal-
tung der Protestanten verhärten, wenn zu früh bekannt würde, daß auch der
Kaiser den Frieden nicht scheitern lassen werde, und wäre es durch passives
Hinnehmen? Dann müßte er am Kaiserhof eine „undichte Stelle“ vermutet
haben. Allerdings mußte seine Aufgabe sehr erschwert werden, wenn die Prote-
stanten in Erfahrung brachten, daß er im Grunde überhaupt keine Rücken-
deckung des Kaisers besaß; sein wertvoller Schild, die Berufung auf den kaiser-
lichen Willen, wäre zerbrochen. Tatsächlich teilte der ernestinische Vertreter
Eberhard von der Thann schon am 21. Juli anderen protestantischen Gesandten
vertraulich mit, der Kaiser habe dem König empfohlen, „mit disem religions-
frieden und anderm furzugeen, und dises zwispalts halben [sc. die Freistellung
der Geistlichen] die sach nit zerschlagen zu lassen“, und der kaiserliche Kom-
missar Hornung habe eine Kompromißlösung durchblicken lassen, nach der der
„Geistliche Vorbehalt“ stehen bleiben solle mit dem Vermerk, die Protestanten
hätten ihn nicht bewilligt369 – wie es dann auch geschehen ist. Letzteres traf
insofern zu, als Hornung diesen Ausweg bei der Beratung über die königliche
Resolution schon als seine Meinung notiert und wahrscheinlich auch in die
367 Lanz, Corr. 3, S. 662ff; übersetzt bei Kohler, Quellen S. 460ff
368 Dazu ausführlich Lutz, Christianitas, S. 386ff.
369 Ernst, Bw. 3, S. 269f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien