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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden100
einer unglücklichen Verstrickung tötete“384. Der für Ferdinand nicht eben
schmeichelhafte Vergleich brachte auch zum Ausdruck, daß Lippomano ihm
das nötige Durchsetzungsvermögen absprach385. Um den König noch mehr
unter Druck zu setzen, sollte auch sein Beichtvater, der Bischof von Laibach,
eingespannt werden386, ihm im Sinne der Kurie ins Gewissen zu reden. Als
dieser dagegen einwandte, es liege nicht am König, sondern an dessen Beratern,
wurde ihm bedeutet: „nos autem non dubitamus de subditis, sed de rege“, denn
bei ihm liege die Verantwortung387. Indessen hat es nicht den Anschein, daß
Ferdinand sich von einer Pression durch den Beichtvater in seiner Lagebeurtei-
lung verunsichern ließ388. Eine Woche später präsentierte er den päpstlichen
Vertretern die inzwischen angelaufene Sondierung bei den Kurfürsten als Mit-
tel, um einen Reichstagsbeschluß herumzukommen, verband diese Demonstra-
tion seiner Ergebenheit gegen die Kurie aber mit der Aufforderung, der Papst
möge eine gründliche Reform der Kirche in Angriff nehmen389. Späteren Fragen
nach dem Stand des Vertagungsplans wich er aus, indem er dem Nuntius eine
Kopie seiner Instruktion für die Anfrage bei den Fürsten aushändigte390.
Gegenüber Kaiser und Papst erscheint der Prorogationsplan überwiegend
von taktischen Überlegungen bestimmt. Die von Ferdinand vorgebrachten
außenpolitischen und die Lage in seinen Erblanden betreffenden Aspekte soll-
ten seine eigentlichen Absichten wohl eher verschleiern, ebenso sein lautes
Mißvergnügen über den Verlauf des Reichstages. Wie hoch Ferdinand das Risi-
ko einschätzte, die Protestanten könnten aus Enttäuschung über seine Stellung-
nahme den Reichstag sprengen, ist nicht auszumachen; ein Ratgeber des Kai-
sers, der Bischof von Arras, hielt das für sein wichtigstes Motiv391. Der spätere
Verlauf der Dinge erlaubt die Annahme, daß Ferdinand mit dem Vertagungs-
vorschlag die Fürsten zu größerer Flexibilität bewegen wollte, zumal er sie
direkt ansprach, statt über ihre Reichstagsvertreter, und daß er auf diese Weise
384 NB I 17, S. 118–125. Vgl. Goetz, Vertreter, S. 202f; Lutz, Christianitas, S. 373; Grisar, Stellung,
S. 455f; Pastor, Päpste 6, S. 565f (mit dem Fehlurteil, Ferdinand habe die Tragweite der prote-
stantischen Forderungen verkannt).
385 Das war auch die Meinung des neuen Papstes. Zwar lobte Paul IV. in einem Schreiben an Karl
V. (vom 6.9.1555) den Römischen König in höchsten Tönen, mahnte den Kaiser aber, seinen
Bruder aufzufordern, den Protestanten nicht nachzugeben (NB I 17, S. 353f). Das Schreiben be-
legt, daß für die Kurie selbstverständlich Karl weiterhin die letzte Verantwortung für das Reich
trug.
386 So ausdrücklich in der Instruktion für Lippomano: mit dem Beichtvater des Königs sei „vehe-
mente „ zu reden; NB I 17, S. 98 Anm. b
387 NB I 17, S. 121
388 Am 3. 8. berichtet Lippomano, der Bischof „ha fatto già tre giorni un caldissimo ufficio col re
dicendogli apertamente che S. Mta. proveda alla conscientia sua et di esso confessore di non ri-
solvere cosa alcuna contra la religione et libertà ecclesiatica, altrimente ch’egli non vuol più la cu-
ra dell’anima sua. Non so la risposta...“ (NB I 17, S. 129); doch im nächsten Bericht hieß es, der
König habe dem Beichtvater genauso geantwortet wie den Gesandten (S. 137).
389 NB I 17, S. 134 (Bericht Lippomanos v. 8.8.1555); dazu Grisar, Stellung, S. 458 (mit falscher
Datierung – Juli statt August); Goetz, Vertreter, S. 204
390 NB I 17, S. 155
391 Vgl. seinen Brief an Philipp II. v. 8.8.1555 bei Weiss 4, Nr. 158, S. 464
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien