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Die Beratungen zur Handhabung des Landfriedens 103
die Protestanten, die die außenpolitische Zwangslage der Habsburger hatten
nutzen wollen, um den unbedingten Religionsfrieden „herauszureißen“402, ihre
Verzögerungstaktik am Reichstag aufgaben. Womöglich hat er mit gezielt ge-
streuten Andeutungen, er müsse auf jeden Fall demnächst abreisen, weiter
nachgeholfen403. Ferner mögen zu Ferdinands Gelassenheit zum einen das Wis-
sen beigetragen haben, daß der Kaiser dieses Jahr noch in den Niederlanden
bleiben würde, und zum andern der soeben bei ihm eingegangene Verzicht
Philipps II. auf die Nachfolge im Reich404 – die „spanische Sukzession“ war
endgültig obsolet. Nur die Erklärung der sächsischen Gesandten, daß der Reli-
gionsfriede unverzichtbare Voraussetzung für eine Türkenhilfe sei, bereitete
dem König offensichtlich Sorgen405. Ehe er indessen die Antworten der Prote-
stanten hatte, berichtete er dem Kaiser schon, sie würden die Vertagung ableh-
nen, weil sie in Analogie zu 1545/46 fürchteten, die Habsburger könnten in der
Zwischenzeit ihre außenpolitischen Probleme lösen und dann wieder Gewalt
anwenden wollen406; eine geradezu vorsorgliche Demonstration Ferdinands,
daß er sich weiterhin in einer Zwangslage befinde, die Konzessionen an die
Protestanten unumgänglich mache407.
So läßt sich das Urteil der älteren Forschung bestätigen, daß Ferdinand so-
wohl aus einer Annahme als auch aus einer Ablehnung des Prorogationsplanes
Vorteile ziehen konnte. Der König sah es selber ähnlich. In einem Brief an den
Kaiser wertete er die Beschleunigung der ständischen Beratungen über Land-
frieden und Kammergerichtsordnung als positive Folge des Bekanntwerdens408.
Und gegenüber der Kurie konnte er nun argumentieren, er habe die Anregung,
den Reichstag ohne Abschied aufzulösen, ja befolgen wollen, sie aber gegen die
Kurfürsten leider nicht durchsetzen können409.
Die Beratungen zur Handhabung des Landfriedens
Von den Beratungsgegenständen des Reichstages hatte die Religionsfrage für
Ferdinand sicher mehr Gewicht, so wichtig für das Reich und die Stellung des
Königs eine effiziente Ordnung zur Sicherung des Landfriedens auch war. Als
die Verhandlungen über die Religionsfrage mit der Übergabe des ersten Beden-
kens der Stände und der Erarbeitung der Resolution zu einem vorläufigen Ab-
schluß gekommen waren, gönnte sich der König, der bis dahin ständig präsent
gewesen war, zweimal mehrere Tage „Urlaub“. Die Details von Kammerge-
402 So Kram am 24. 6. (Druffel 4, S. 692). Philipp von Hessen hatte vor dieser Taktik gewarnt (Wolf,
Religionsfrieden, S. 160 Anm. 2); zur Haltung des Landgrafen auch Brückner, S. 49f.
403 PCSS 5, S. 621 u. S. 622; Ernst, Bw. 3, S. 303; Schwabe, S. 281. Allerlei Spekulationen, er wolle in
die Niederlande und es gehe um die Ablehnung des Friedens durch Karl, traten hinzu.
404 Lutz, Christianistas, S. 408
405 Er habe sich dabei „etwas am Kopfe gekrauet“, berichteten die sächsischen Gesandten (Schwabe,
S. 288; Wolf, Religionsfrieden, S. 146).
406 Lanz, Corr. 3, S. 677: F. an Karl, 20.8.1555
407 So auch Lutz, Christianitas, S. 426 Anm. 81
408 Druffel 4, S. 713
409 NB I 17, S. 155
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien