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Die Beratungen zur Handhabung des Landfriedens 107
dere gewalt uber die Kreise, denen sie vorgesetzt sind, sich anmaßen sollen“430.
Endlich hatte Zasius bei dem ausführlich behandelten Komplex, wie mit den
„gardenden Knechten“ – abgedankte Soldaten, die in Gruppen umherzogen
und sich durch Bettel oder Raub ernährten431 – verfahren werden sollte, mit
Erfolg die Einfügung beantragt, daß niemand „bei poen des landfriedens“ gar-
dende Knechte „sich annemen oder die zu seinem vorteil gebrauchen soll“432.
Der Antrag leuchtet ein, wenn man sich erinnert, daß Moritz von Sachsen 1551
solche Truppen an sich gezogen und damit gleichsam von einem Tag zum ande-
ren aufgerüstet hatte, jedoch handelte es sich um ein tiefergehendes Problem.
Solange „gardende Knechte“ stets Aussicht hatten, wieder in Dienst genommen
zu werden, konnte man dieser Seuche nicht Herr werden; die damit gegebene
Bedrohung des Landfriedens hatte die Reichstage seit 1545 beschäftigt433. Die
Änderungen zugunsten der Reichsspitze gingen Gerhard offenbar zu weit, so
daß er hoffte, das Votum des Kurfürstenrates werde dieser Tendenz entgegen-
wirken434.
Der Problembereich „Sicherung des Landfriedens“ hatte zugleich auch eine
aktuelle Komponente. Truppenwerbungen des Herzogs Erich II. von Braun-
schweig-Calenberg, von dem man nicht wußte, ob er in Frankreichs Sold stand
oder mit dem nach Frankreich geflüchteten Albrecht Alkibiades unter einer
Decke steckte, ließen die Entstehung eines neuen Unruheherdes in Niedersach-
sen befürchten. Vor allem die Fränkische Einung fühlte sich bedroht. Im Auf-
trag des Kaisers ersuchte Ferdinand am 13. März die Reichsstände um Bera-
tung über Vorbeugungsmaßnahmen gegen neue Turbulenzen „one allen uff-
schub und verhinderung“435. Überlegungen im Ausschuß des Fürstenrates gin-
gen dahin, auf Reichskosten ein Kontingent von 1000 Reitern und entsprechen-
de Fußtruppen aufzustellen und in das gefährdete Gebiet zu verlegen, doch
wurde eingewendet, dann könnten andere Regionen auch solchen Schutz ver-
langen, was für das Reich sehr kostspielig würde, ferner würde es schwierig
sein, „ein Haupt“ zu finden, und die Sorge wurde laut, der Befehlshaber könnte
diese Reichstruppen gegen einzelne Stände mißbrauchen. Am Ende nahm der
Fürstenrat eine Empfehlung an, „nachdem ir Mt. etzliche tausent pferde bereits
in bestellung hett, das im fall der notdurfft ire Mt. uff der gemaine reichs sten-
den uncosten solche kriegsleute den uffwigelungen“ entgegenschicken möge.
Da jedoch der Kurfürstenrat sich weigerte, dazu Stellung zu nehmen, kam we-
der jetzt noch später ein derartiger Reichsbeschluß zustande. Möglicherweise ist
die Philippika, die Ferdinand am 20. März persönlich an die kurfürstlichen Räte
gerichtet hat, sie sollten endlich mit konstruktiver Arbeit anfangen, wegen ihrer
430 fol 282r als „Nova additio“ notiert. Dem Sinne nach enthielt das der Frankfurter Entwurf
(Ernst, Entstehung, S. 88, Ziffer 12); anscheinend wurde das nicht für ausreichend erachtet.
431 Bündige Definition bei Gittel, S. 253 Anm. 1; eingehend zu Typ und Problem Behr, S. 47ff
432 fol 291r als Zusatz zu Artikel 27 des Frankfurter Entwurfs (Ernst, Entstehung, S. 94f).
433 Behr, S. 64ff
434 Vgl. dazu Ernst, Bw. 3, S. 243 Anm. 3
435 Hierzu und zum Folgenden ein Bericht Dincklages v. 19.3.1555 (NWStA Münster, FML 473
Bd. 3a, fol 133f); Karls Auftrag an Ferdinand (vom 5.3.) bei Druffel 4, S. 590f; vgl. Lutz/Kohler,
S. 55; Friedensburg, S. 47f.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien