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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden108
Verweigerungshaltung in dieser Frage so deutlich ausgefallen436. Auch der Kai-
ser begrüßte den Gedanken, daß Ferdinand oder die Fränkische Einung ihre
noch im Wartegeld stehenden Truppen zur Friedenssicherung in Niedersachsen
einsetzen sollten437, aber solange die Kostenfrage nicht geklärt war, war daran
nicht zu denken. Ende Mai mahnte Jonas nochmals das Votum der Stände zu
dieser Frage an438.
Da Herzog Erich seine Werbungen nicht einstellte, mußte Karl V. im Juni
einige Fähnlein zu seiner Beobachtung alarmieren439. Anläßlich der Übergabe
der ständischen Bedenken zum Religionsfrieden ließ Ferdinand den Ständen die
erneuerte Supplik der Fränkischen Einung vorlesen, in der angeregt wurde, auf
Kosten der Kreise und Stände tausend Reiter und etliche tausend Mann Fuß-
volk für ein bis zwei Monate anzunehmen; Heinrich der Jüngere von Braun-
schweig-Wolfenbüttel hatte Bereitschaft signalisiert, die Leitung zu überneh-
men und auf seine eigenen Kosten dann ebenfalls ein Kontingent anzuwer-
ben440. Man wird annehmen dürfen, daß Ferdinand diesen Antrag begrüßt hat,
wenngleich er es vermied, selbst die Aufstellung von Reichstruppen vorzu-
schlagen441. Doch nahm er persönlich das Wort, um die Dringlichkeit zu unter-
streichen: hier sei „periculum in mora“442. Im Fürstenrat kam man in den
nachfolgenden Beratungen auf die schon im März und Mai erörterte Empfeh-
lung zurück, daneben wurde diskutiert, ob man den nieder- und den obersäch-
sischen sowie den westfälischen Kreis mit der Abwehr auf Reichskosten beauf-
tragen sollte443. Aber der Kurfürstenrat verweigerte weiterhin die sachliche
Beratung, schützte Arbeitsüberlastung, mangelhaftes Informiertsein über die
Lage und fehlende Instruktionen vor444. Der eigentliche Grund war die Sorge,
hier sei ein präjudizierender Vorgriff geplant zugunsten der königlichen Macht
und zulasten des kurfürstlichen Einflusses bei der Wahrung des Landfriedens.
Führende protestantische Stände machten in internen Beratungen sofort deut-
lich, daß man „in kain weg in dise regi fürgeschlagene heimstellung ... verwilli-
gen werde“, man sei aus Schaden klug geworden445. Man witterte die Absicht,
die Katholiken hofften hier Vorteile zu gewinnen, um dann den Religionsfrie-
436 Lutz/Kohler, S. 57f. Die Räte der Kurfürsten entschuldigten sich, keine Instruktionen zu diesem
Punkt zu haben.
437 Druffel 4, S. 649: Karl an F., 11.4.1555
438 Lutz/Kohler, S. 65 Anm. 120. Man wollte sichere Kunde haben, daß Erich „frantzosisch sey,
auch das von dem Frantzosen etzlich gelt ime sei zugeschickt, Reitterei und knechte anzune-
men“ (NWStA Münster, FML 473 Bd. 3a, fol 210v: Bericht der münsterschen Gesandten v.
25.5.1555).
439 Mitteilung an Ferdinand am 9.6.1555, anscheinend nach Intervention von Gamiz, bei Druffel 4,
S. 684f.
440 Kopien der den Reichsständen zugeleiteten Papiere in NWStA Münster, FML 473 Bd. 3a, fol
238–240. Vgl. NB I 17, S. 88f: Delfino an Paul IV., 22.6.1555.
441 Vgl. dazu sein Schreiben an Karl v. 8.7.1555 (Druffel 4, S. 697). Die Darstellung bei Schwabe, S.
282ff, gibt einseitig die sächsische Sicht wieder.
442 Sowohl Hornung (Lutz/Kohler, S. 71) als auch das Passauer Protokoll (fol 117r) haben diese
Wendung festgehalten.
443 Bericht Dincklages v. 25.6.1555 (NWStA Münster, FML 473 Bd. 3a, fol 241f.)
444 Passauer Protokoll, fol 118ff.; Ernst, Bw. 3, S. 251; Lutz/Kohler, S. 80
445 Ernst, Bw. 3, S. 241
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien