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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden126
Attribut „ewig“ für den Frieden stehen zu lassen. Ferdinand selbst spielte als
letzten Trumpf die Warnung aus, wenn der Geistliche Vorbehalt nicht ange-
nommen werde, werde er den Reichstag umgehend vertagen568.
Seine Hoffnung, mit Hilfe dieser Kompensationen alle offenen Fragen zu
erledigen, erfüllte sich indessen nicht. Die Räte der protestantischen Fürsten
erbaten sich ein paar Stunden Bedenkzeit, die auch bewilligt wurde, zumal ver-
gessen worden war, die protestantischen Städte miteinzuladen. Deren Vertreter
wurden alsbald in gleicher Weise informiert569, wobei sich sofort herausstellte,
daß von ihnen kein geschlossener Widerstand gegen den neuen Artikel über die
Reichsstädte mit zwei Bekenntnissen zu erwarten war570.
Am Nachmittag akzeptierten die protestantischen Räte alle Vorschläge ein-
schließlich des Städteartikels; sie ließen die dagegen opponierenden Städte also
allein, deren Einrede Ferdinand danach als geradezu unziemlich beiseite schie-
ben konnte; er verlangte „Gehorsam“571. Nur den Geistlichen Vorbehalt lehn-
ten die Protestanten trotz der königlichen Drohung mit Prorogation weiterhin
ab. Noch einmal ließ sich Ferdinand persönlich auf eine auch von ihm leiden-
schaftlich geführte Diskussion ein572, die noch einen Teil des folgenden Tages
beanspruchte. Er selbst hat Kaiser Karl darüber ausführlich berichtet, natürlich
um nachzuweisen, daß er nichts unversucht gelassen hatte573.
Abermals brachten die Protestanten ihre zentralen Einwände vor: Der Geist-
liche Vorbehalt verstoße gegen Vereinbarungen der Reichstage von 1541 und
1544; die von übertretenden Prälaten geforderte Verzichtleistung auf die Bene-
fizien bedeute eine Diskriminierung ihres Glaubens und präjudiziere die erst
noch zu treffenden Grundsatzentscheidung über die Religion, weshalb die Ab-
lehnung für ihre Herren eine Gewissenssache sei574. Ihr – bisher noch nicht so
weitgehend formuliertes – Angebot, ein zu ihnen übergetretener Prälat solle
notfalls sogar mit Gewalt an der Säkularisierung seines Stifts gehindert wer-
den575, konnte Ferdinand aber so wenig genügen wie der Vorschlag, die Streit-
frage auszuklammern, auf den nächsten Reichstag zu verschieben und im übri-
568 Ranke, Reformation 6, S. 297
569 Das Städteprotokoll (Friedensburg, S. 69–71) stimmt inhaltlich mit dem Hornungs sowie dem
Bericht der kursächsischen Räte überein.
570 Nachdem der Sprecher der Städte ein paar Einwände gemacht hatte, gab Augsburgs Vertreter
für seine Stadt eine zustimmende Erklärung ab; Regensburg schloß sich an (Druffel 4, S. 718;
Lutz/Kohler, S. 121).
571 Lutz/Kohler, S. 126 u. S. 130; vgl. die Berichte der Straßburger Gesandten (PCSS 5, S. 628, S. 631
u. S. 651). Zur Behandlung der Städte auch Pfeiffer, S. 255ff u. S. 274f
572 Der württembergische Gesandte Gerhard hob mehrmals in seinem Bericht hervor, der König
selbst rede und führe die Verhandlung, und resümierte: „Et pro facto, numquam vidi magis se-
riam actionem et regem tam commotum“. (Ernst, Bw. 3, S. 315ff, das Zitat S. 318). Ferdinands
Erregtheit auch bezeugt in NB I 17, S. 184f. Die Sachsen notierten, er sei Jonas mehrmals in die
Rede gefallen (Ranke, Reformation 6, S. 298 u. 299).
573 Brief v. 10.9. (wie Anm. 560), S. 3–7. Dieser Teil ist bei Druffel nicht referiert.
574 Diese Punkte hat Ferdinand dem Kaiser als die wichtigsten referiert. Sowohl Hornungs Proto-
koll als auch die Berichte Gerhards und der sächsischen Gesandten bestätigen das.
575 Lutz/Kohler, S. 123
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien