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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden128
man befunde je alsdann offentlich, das es inen nit umb den frieden zu tun, die-
weil sie denselben nach irem selbst begern und erhalten, sunder vil mer umb der
gaistlichen gueter“583.
Ferdinands Entschiedenheit blieb nicht ohne Wirkung: Etliche der prote-
stantischen Räte begannen zu fragen, ob es wirklich tunlich sei, „wegen dis
artikels die sachen und gemeinen friden gar zerschlagen oder in ein beschwerli-
che, zweifelheftige prorogation kommen zu lassen“584. Wegen fehlender An-
weisungen wagten sie aber nicht, den Widerstand aufzugeben. Sie verwahrten
sich gegen den Verdacht, die geistlichen Güter zu etwas anderem als „rechtge-
schaffenem gotsdinst“ verwenden zu wollen, und beharrten darauf, der Artikel
sei diskriminierend, weil übertretende Geistliche bestraft würden, denn „geistli-
chen personen were kein grosser straf dan privatio officii et beneficii, sonderlich
wann privatio ipso iure et facto gescheen solt“585. In ihrer Anfrage, ob der Kö-
nig einen anderen Kompromiß vorzuschlagen habe, den sie gewissenhaft prüfen
würden, und der Bitte um die Einräumung einer kurzen Frist zur Einholung
neuer Instruktionen wurde der Eindruck der energischen Vorhaltungen Ferdi-
nands erkennbar.
Die königliche Seite verstand das Signal für den schließlich entscheidenden
Schachzug zu nutzen. In der anschließenden internen Besprechung erfuhr Fer-
dinand von seinen Räten von der Anregung mehrerer katholischer Stände, man
solle die Regelung so formulieren, daß der König allein oder gemeinsam mit
den Katholiken die Verfügung träfe, die Protestanten sie aber nicht ausdrück-
lich bewilligen müßten586. Er ließ sofort einen Entwurf ausarbeiten und den
Protestanten mit der Erklärung vorlegen, weitere Diskussionen hätten offen-
sichtlich keinen Sinn mehr, aber um die angeblichen Gewissensnöte ihrer Her-
ren zu beheben, wolle er die Sache „aus volkomener macht also ordenen“, denn
darauf verzichten könne er nicht587. Danach wollte der König nun in einem
eigenen Artikel ausdrücklich die Bestimmung des Geistlichen Vorbehalts kraft
der ihm übertragenen kaiserlichen Vollmacht „unnd heimstellung“ setzen, wo-
bei durch das Weglassen eines Genitivs im unklaren gelassen wurde, daß An-
heimgeben durch die Stände gemeint war588.
Das Verfahren, in Reichstagsabschieden gewisse Probleme, über die kein
Einvernehmen erreicht werden konnte, aus kaiserlicher Machtvollkommenheit
zu regeln, war nicht neu. In der gegebenen Situation war es allerdings nicht
ohne Risiko, weil man nicht voraussehen konnte, ob sich die Protestanten in
583 Lutz/Kohler, S. 126
584 So Gerhard in seinem Brief vom Morgen des 8.9.1555 (Ernst, Bw. 3, S. 317). Auch Sachsen
räumte intern ein, daß die Position der Geistlichen nicht unberechtigt sei (Ritter, Religionsfrie-
den, S. 232).
585 Lutz/Kohler, S. 127
586 Lutz/Kohler, S. 128. In seinem Bericht an den Kaiser (wie Anm. 560) machte Ferdinand keine
Angabe, von wem die Anregung gekommen war (S. 7). Nach Lutz, Christianitas, S. 430 vertrat
Hornung diese Idee schon seit dem Sommer; dazu Ernst, Bw. 3, S. 269f. Auch Philipp von Hes-
sen sah darin schon im Juli eine Lösung (Wolf, Religionsfrieden, S. 160 Anm. 2).
587 Ranke, Reformation 6, S. 299; in einer persönliche Zwischenbemerkung betonte Ferdinand, er
sei sehr wohl zu weiterer Diskussion in der Lage.
588 Lutz/Kohler, S. 144 Anm. 399. Die Formel ist unverändert in den Religionsfrieden gekommen.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien