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Kapitel 1: Ferdinand und der Augsburger
Religionsfrieden132
nen Punkten nachgeben würden, könnten sie als Gegenleistung eine „Nebenas-
sekuration“ erhalten, zum vorläufigen Abschluß610. Auch dieses Verfahren
hatten Karl V. und (in seiner Vertretung) Ferdinand auf früheren Reichstagen
gelegentlich angewandt611. Zur Versüßung der Pille machte der König den
Protestanten noch ein redaktionelles Zugeständnis in einem anderen Artikel612.
Den Entwurf für die „Declaratio Ferdinandea“, wie sie später genannt wor-
den ist, ließ er am folgenden Tag zuerst von den Katholiken begutachten, deren
Anregungen für eine möglichst parallele Gestaltung der Einleitung zu der des
Geistlichen Vorbehalts berücksichtigt wurden. Die Protestanten drängten ihrer-
seits noch einmal vergebens auf Gleichbehandlung: Entweder sei die Deklarati-
on neben dem Geistlichen Vorbehalt dem Religionsfrieden einzufügen oder
aber beide Regelungen seien herauszulassen613. Es blieb dabei, daß Ferdinand
allein unter Berufung auf die ihm vom Kaiser erteilte Vollmacht zusicherte,
„das der Geistliche aigen Ritterschaft, Stet und comunen, welche lange Zeit und
Jahr her der Augspurgischen Confession anhengig gewesen“, unbehelligt bei
ihrem Glauben und Kirchenbräuchen gelassen werden sollten bis zur „endli-
chen Vergleichung der Religion“614.
Die bei jedem legislatorischen Akt selbstverständliche Formel, daß alle der
neuen Rechtsetzung entgegenstehenden Bestimmungen und Bekundungen
aufgehoben bzw. nichtig sind, verursachte bei der Endredaktion des Abschiedes
noch einmal Streit. Die Protestanten erkannten selbst, daß die königliche Asse-
kuration mit dem Wortlaut des Religionsfriedens nicht vereinbar war, und ver-
langten eine zusätzliche Sicherung. Mit einer von Jonas formulierten besonde-
ren Derogationsformel, die in die „Declaratio Ferdinandea“ eingefügt wurde,
setzte der König die Nichtigkeitserklärung des Reichstagsabschieds mit Zu-
stimmung der geistlichen Stände für eben diesen Sonderfall außer Kraft615.
Durch die Zustimmung der Stände schien die Klippe also schnell überwunden,
aber man war sich im Rat Ferdinands bewußt, daß es eine problematische Lö-
sung war616. Moriz Ritter und andere haben darum geurteilt, Ferdinand habe
hier „nicht ganz ehrlich“ gehandelt617. Angemessener ist es, sie als Beispiel für
610 Ebda, S. 148f. Die lange Dauer bezeugen sowohl der württembergische als auch der Straßburger
Gesandte (Ernst, Bw. 3, S. 334; PCSS 5, S. 640). Nach einer anderen Überlieferung hätten sich
die Stände so zerstritten, daß Ferdinand gedroht habe, er werde sie nicht eher aus dem Zimmer
lassen, bis sie sich geeinigt hätten, worauf sie ihm die Probleme zur gütlichen Lösung anheimge-
stellt hätten (Lehmann I, S. 50f, vgl. auch M.I. Schmidt 2, S. 77f). Bei Ranke, Reformation 5, S.
307 ist das nur auf die Katholiken bezogen.
611 z.B. 1541 in Regensburg; vgl. Luttenberger, Glaubenseinheit, S. 255f; Brandi, Karl V. Bd.2, S.
305f
612 Er genehmigte die Streichung des Wortes „katholisch“ in Artikel 14 und begnügte sich mit der
„alten Religion“ (Lutz/Kohler, S. 149; Friedensburg, S. 76).
613 Lutz/Kohler, S. 149f mit Anm. 430; Passauer Protokoll fol 189v; Moritz, S. 30f; Simon, S. 69f.
614 Endgültiger Wortlaut bei Brandi, Religionsfrieden, S. 52–54, nach dem Original im Dresdner
Archiv; danach bei Walder, S. 68f. Zu den Entwürfen im HHStA Wien vgl. Lutz/Kohler, S. 149
Anm. 428
615 Vgl. Repgen, Kurie 1, S. 72 Anm. 71 zur Rechtsgültigkeit
616 Dazu Lutz/Kohler, S. 156 mit Anm. 450; Ranke, Reformation 5, S. 307 Anm. 1; Lutz, Christia-
nitas, S. 432; Schwabe, S. 301
617 Ritter, Religionsfrieden, S. 257f; Simon, S. 73f
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien