Page - 135 - in Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
Image of the Page - 135 -
Text of the Page - 135 -
Das Finale des Reichstages 135
September waren alle Verhandlungen abgeschlossen, die feierliche Schlußsit-
zung wurde für den nächsten Tag anberaumt630.
Wenn Ferdinand in dieser letzten Phase ständig zur Eile drängte631, dürften
ihn nicht nur Termine in seinen Erblanden, sondern auch eine gewisse Sorge
getrieben haben, der Kaiser könnte das Ergebnis des Reichstages noch gefähr-
den. Spätestens seit Mitte August, als Karl V. eine Botschaft an die Reichsver-
sammlung angekündigt und ihn darum gebeten hatte, die Verhandlungen trotz
der Vertagungsabsicht noch etwas hinzuziehen und selber solange in Augsburg
zu bleiben, wußte der König, daß der Bruder etwas Besonderes plante632. Fer-
dinand hatte darauf zunächst geantwortet, da die Kurfürsten den Prorogations-
plan abgelehnt hätten, lasse sich das Ende des Reichstages noch nicht abschät-
zen, und erst am 10. September eine genaueren Termin nach Brüssel gemel-
det633. In seinen abschließenden Berichten für Karl vom 24. und 26. September
rechtfertigte er das Tempo der letzten Wochen noch einmal mit der Situation in
seinen Erblanden und der Türkengefahr, seine Abmachungen mit den Ständen
aber auch damit, daß er trotz wiederholten Ersuchens keine Stellungnahme des
Kaisers erhalten und darum nach bestem Wissen und Gewissen entschieden
habe: „Dieweil wir aber die sachen je nit pesser abhandeln und zu beschluß
bringen mugen ... so haben wir den gemachten besluß fur leidenlicher und träg-
licher geachtet, dann das wir gar ungeschaffter ding von disem Reichstag abzie-
hen heten muessen“; er drückte die Hoffnung aus, daß der Kaiser mit Rücksicht
auf die Beruhigung des Reiches und die anhaltende osmanische Drohung das
Erreichte gutheißen werde634.
In der Tat war Karl V. inzwischen zu dem Entschluß gelangt, die Verant-
wortung für den Augsburger Religionsfrieden demonstrativ abzulehnen, ohne
ihn zu verhindern. Als er aus Ferdinands Mitteilung vom 10. September ersah,
daß der Reichstag in wenigen Tagen mit einem für sein Gewissen nicht erträgli-
chen Ergebnis abgeschlossen würde, unternahm er, um jene Bürde abzuwerfen,
einen letzten außergewöhnlichen Schritt. Der Kanzleirat Paul Pfintzing wurde
mit einer geheimen, aber höchst brisanten Botschaft an Ferdinand abgefertigt,
die er streng vertraulich (mündlich) ausrichten sollte635. Vermutlich wurde die-
630 Der ganze Reichstagsabschied gedruckt in Neue Sammlung 3, S. 14–43 und bei Zeumer, Quel-
lensammlung, S. 341–370 (mit von Brandi abweichender Zählung der Artikel des Religionsfrie-
dens). Ein moderner Druck des Religionsfriedens (mit Brandis Zählung) unter Heranziehung
des Wiener Originals bei Walder, S. 41–68.
631 Vgl. Christoph v. Hausen an Abt Gerwig Blarer, 19.9.1555 (Blarer, Briefe 2, S. 396f.)
632 s. oben S. 99
633 Lanz, Corr. 3, S. 674f (Karl an F., 15.8. 1555), S. 677: F. an Karl, 20.8.), S. 681 (F. an Karl, 10.9.);
vgl. Lutz, Christianitas, S. 412
634 F. an Karl, 24. 9. (franz.) bei Lanz, Corr. 3, S. 683–686; 26. 9. (dt.) im HHStA Wien, RK, RelA
25 Konv. 3, fol 104r-105v + 107r (Ausf.); das Zitat fol. 104v/105r
635 Das Original der Instruktion für Pfintzing gilt als verschollen. Ihr Inhalt war aus einem Entwurf
im Reichshofratsprotokoll (Saec. XVI, Bd. 11, fol 180r-181r) sowie einer gleichzeitigen, 1927
verbrannten Abschrift bekannt. (Turba, Beiträge 3, S. 245ff mit Anm. 6; danach Lutz, Christia-
nitas, S. 412 u. 414f.). Im HHStA Wien, RK RTA 41 fand ich 1968 ein noch unbekanntes unfo-
liiertes Exemplar der Instruktion (Konvolut Kurfürstentag zu Frankfurt 1558, n. 53, 5 Seiten),
das Christiane Thomas, die den Fund mit mir erörtert hat, als Reinkonzept einstufte (vgl. jetzt
dazu Thomas, Diplomatie, S. 40 Anm. 64). Es ist auf den 20.9.1555 datiert. Ich zitiere nach die-
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
back to the
book Ferdinand I. als Kaiser - Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V."
Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien