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Vorbereitende Ăśberlegungen und Aktionen 145
fen von Naumburg und Merseburg. Da sie an hinreichendem Besuch des
Reichstages zweifelten, hielten Julius Pflug und Michael Helding fruchtbare
Verhandlungen über die Religionsfrage für unwahrscheinlich. Vor einem – ja
paritätisch zu besetzenden – Colloquium warnten sie, weil die Protestanten
dort geschlossen auftreten würden, während es auf der katholischen Seite unsi-
chere Kantonisten gebe, so daĂź es zu Mehrheiten zulasten der katholischen
Religion kommen könne – eine Fehlprognose, wie das Wormser Colloquium
erweisen sollte. Ferner argumentierten sie, da nach ihren Informationen zu
befürchten sei, „das bäbstliche heylikeit werden inhibiren, das sich die ertz und
bischove in das colloquium nit einlassen söllen“, werde seine Ansetzung auf
jeden Fall schädliche Folgen für das Reich haben, nämlich entweder neues
Mißtrauen unter den Reichsständen, wenn die Bischöfe das Gespräch boykot-
tierten, oder eine Vertiefung des Schismas, wenn sie dem Papst nicht gehorch-
ten26.
Ferdinand erkannte selbst immer deutlicher, daĂź er aus Rom keine Unter-
stĂĽtzung, sondern Gegenwind erfahren wĂĽrde. Es kann dahingestellt bleiben,
ob er in seine erwähnte Bitte um Entsendung tüchtiger Legaten zum Reichstag
noch groĂźe Hoffnung gesetzt hat, hatte er sie doch mit einer ZurĂĽckweisung
der päpstlichen Kritik am Augsburger Religionsfrieden und an seiner eigenen
Treue zur Kirche verbunden27. Der Anfang Januar wieder ernannte Nuntius
Delfino hatte den Auftrag28, bei den süddeutschen Bischöfen sowie Herzog
Albrecht von Bayern den päpstlichen Unwillen über den Augsburger Religi-
onsfrieden zum Ausdruck zu bringen29 und BemĂĽhungen einzufordern, dessen
Bestimmungen abzuschwächen („debilitar“), und in Regensburg dafür zu sor-
gen, daĂź es nicht noch schlimmer werde. Ferdinand selbst sollte der Nuntius
vorhalten, es sei unangemessen, fĂĽr einen zeitlichen Frieden in Deutschland
einen dauernden Krieg gegen Gott zu beginnen30. Wie die Bischöfe war auch
der König aufzufordern, auf dem Reichstag noch Schlimmeres zu verhindern.
Anscheinend vermutete man in Rom, Ferdinand könnte sich auf Zugeständnisse
wie Laienkelch, Priesterehe und Milderung der Fastengebote einlassen; denn
Delfino war ferner angewiesen, dem König bei sich bietender Gelegenheit mit-
26 Bericht des Damian Pflug über seine Werbung, Prag, 11.3.1556, ediert von Bundschuh, S. 568–
570. Nach Pollet, Corr. 4, S. 207 gibt es dazu keine weiteren Quellen. Wann Damian Pflug bei
den beiden Bischöfen vorgesprochen hat, geht aus seinem Bericht nicht hervor. Er hat offenbar
vorher andere Fürsten (Kurfürst August, Landgraf Philipp, die ernestinischen Herzöge) aufge-
sucht. (Seine Berichte darüber in HHStA Wien, RK RTA 36, fol 77–78 u. fol 102–103). Merk-
wĂĽrdig ist, daĂź er Ferdinand erst ein Vierteljahr nach seiner Beauftragung (s. oben Anm. 17) be-
richtet hat. Im März hätten die beiden Bischöfe ja längst in Prag sein sollen.
27 HHStA Wien, RK RTA 36, fol 74–75: F. an Papst Paul IV., 30.12.1555; Lutz, Christianitas, S.
442 Anm. 129 zitiert aus der lat. Ausfertigung. Die päpstliche Mißbilligung ist enthalten im Bre-
ve Pauls IV. vom 18.12.1555 (Raynaldus 33, S. 534, Nr. 51); vgl. NB I 17, S. XLII.
28 Maßgebliche Edition seiner Instruktion jetzt NB I 17, S. 194–202. Früherer Druck (mit Angabe
einiger Korrekturen Morones) bei Pieper, S. 198–205. Vgl. das Referat bei Lutz, Christianitas, S.
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29 Repgen, Kurie 1, S. 83 mit Anm. 115 u. 116, hat nachgewiesen, daĂź Rom nicht offiziell prote-
stiert hat.
30 NB I 17, S. 200: „...mostrando a S. Mtà quanto sia inconveniente, per haver una temporal pace di
Germania et poco sicura et fidele con heretici, mettersi in perpetua guerra con Dio...“
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- MĂĽnster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien