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Vorbereitende Überlegungen und Aktionen 147
ner der Habsburger in eine der potentiell einflußreichsten Positionen einge-
rückt war, wenn auch noch offen war, wer künftig die Führungsrolle im prote-
stantischen Lager einnehmen würde. Aus Zasius’ Gesprächen in Mainz und
Trier wußte der König, daß mehrere katholische Stände befürchteten, die Prote-
stanten könnten auf dem Reichstag zusätzliche „unziemliche“ Forderungen
stellen, denn sie wären durch den Religionsfrieden „noch niendert ersettigt“
und legten ihn stets nur zu ihrem Vorteil aus; außerdem werde man, falls der
König Türkenhilfe begehre, erleben, „was die adversarii hergegen suechen wur-
den beim artikel der freystellung und in ander weeg“39 – Sorgen, die sich als
keineswegs unbegründet erweisen sollten. Zudem berührte die zuletzt genannte
Bemerkung des Erzbischofs von Mainz bei Ferdinand einen empfindlichen
Punkt: Seine evangelischen Landstände in Österreich hatten es den Protestanten
im Reich ja gerade vorexerziert, wie man dem Habsburger durch ein Junktim
mit der Türkenhilfe religiöse Zugeständnisse abringen konnte. – So war es ein
naheliegender Gedanke, bei dem bisherigen „Wortführer“, dem Kurfürsten
August, zu sondieren, wie ernst die Protestanten die Beachtung des Religions-
friedens überhaupt nahmen. Ferdinand griff darum ein Angebot Augusts auf,
das dieser Anfang Januar gemacht hatte, um seine Weigerung, den Reichstag
persönlich zu besuchen, etwas zu versüßen: Er hatte sich bereit erklärt, sich mit
Ferdinand in Böhmen zu treffen40. Jetzt lud der König den Kurfürsten für den
28. April nach Prag zu einem Meinungsaustausch ein und schlug vor, Joachim
von Brandenburg zu der Aussprache hinzuzuziehen, doch der Hohenzoller
lehnte ab41. Die Begegnung zwischen Ferdinand und August aber fand am 4.
Mai 1556 in Leitmeritz (das etwa in der Mitte zwischen Prag und Dresden liegt)
statt.
In der ersten vertraulichen Unterredung, zu der er nur von seinem Sohn Fer-
dinand begleitet wurde, wünschte der König die Ansicht des Kurfürsten zu
sechs Punkten zu erfahren42. Vier davon betrafen den bevorstehenden Reichs-
tag: (1) Wie man auf dem Reichstag in der Religionsfrage am zweckmäßigsten
verfahre, insbesondere dann, wenn es nicht gelinge, die im letzten Reichstagsab-
schied als eigentliches Ziel vorgegebene inhaltliche Einigung zu erreichen, um
wenigstens „de modo et forma concordandi in religione“ zu einer Vereinbarung
zu gelangen. (2) Wie die Stände zu einer wirksamen Türkenhilfe bewogen wer-
den könnten, die unbedingt nötig sei, denn der Sultan habe nach einer kürzlich
eingegangenen Nachricht aus Konstantinopel „alle handlung abgeschlagen“. (3)
Wie die noch immer anhängige Streitsache mit den fränkischen Hohenzollern
beigelegt werden könne, durch die Ruhe und Sicherheit im Reich gestört wür-
39 Zasius’ Berichte v. 27.1. 1556 (wie Anm. 24), fol 136r und v. 18.1. 1556 (wie Anm. 25), fol
97v/98r, dort das Zitat (auch bei Bundschuh, S. 89 Anm. 44; dort S. 127 Anm. 18 ein weiterer
Beleg)
40 HHStA Wien, RK RTA 36, fol 77–78: Bericht Damian Pflugs aus Dresden, 3.1.1556
41 Ebda, fol. 223–224: Instruktion für Damian Pflug v. 3.4.1556 (Or.); vgl. Bundschuh, S. 111 mit
Anm. 126
42 Das sächsische Protokoll der Konferenz im SHStA Dresden, Loc. 8790: Register... fol 4–35. Es
ist in Auszügen bei Wolf, Protestanten, S. 220–226 publiziert. Sehr kurze Zusammenfassung bei
Westphal, S. 43 Anm. 1. Ein österreichisches Gegenstück ist bisher nicht aufgetaucht.
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien