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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag150
fern war die Begegnung von Leitmeritz für beide Teilnehmer ein beachtlicher
Erfolg, kannte doch jeder die Position des anderen nun genauer51.
Doch erfolgte nun keineswegs eine Schwenkung des Königs, vielmehr hatte
sich die politische Priorität bei ihm schon seit einiger Zeit auf die Türkenab-
wehr und die Bereinigung der Verhältnisse in Ungarn und Siebenbürgen verla-
gert. Die Werbekampagne seiner Gesandten im Januar bei den Reichsfürsten
hatte bereits auch dem Zweck gedient, die Türkenhilfe als zweiten Brennpunkt
des Reichstages anzukündigen, wobei in den Instruktionen nicht nur die stän-
digen, leider vergeblichen Friedensbemühungen Ferdinands bei der Pforte be-
tont wurden, sondern auch die Wichtigkeit der Erhaltung Siebenbürgens unter
habsburgischer Herrschaft52. Die Entwicklung der Lage in Ungarn mußte zu-
gleich als Begründung für die Verschiebungen des Reichstages bis zum Juni
herhalten und dann ebenso für die eilige Eröffnung in Abwesenheit Ferdinands.
In seiner gründlichen und vorsichtigen Art suchte Ferdinand noch die Mei-
nung eines zweiten prominenten Protestanten, des Kurfürsten von Branden-
burg, zu erkunden. Da Joachim die Einladung zum Treffen in Leitmeritz nicht
angenommen hatte, ließ Ferdinand ihn gleich danach wissen, daß er sich auch
mit ihm gern über die drei Fragen: Religionsvergleichung, Türkenhilfe und
fränkische Hohenzollern ausgesprochen hätte53. Die Fragestellung an Joachim
deutet noch keinen Verzicht Ferdinands auf die Möglichkeit an, in Regensburg
die theologischen Streitfragen selbst zu erörtern und beizulegen. Aber Joachim
vermied die inhaltliche Stellungnahme54. Er antwortete diplomatisch, er traue
des Königs Weisheit die am besten geeigneten Vorschläge zu. Immerhin durfte
Ferdinand daraus ableiten, daß von Joachim kaum prinzipielle Opposition zu
befürchten war, auf welche Weise er die Religionsfrage auch anpacken werde55.
Neue alarmierende Nachrichten aus Ungarn – die Türken waren bis Fünfkir-
chen vorgestoßen und belagerten die Festung Szigeth, Streifscharen siebenbür-
gischer Anhänger von „König Hansens Sun“, dem Sohn von Ferdinands ver-
storbenem Konkurrenten Zapolya, waren in den habsburgischen Teil Ungarns
eingefallen, ebenso wurden an der kroatischen Grenze türkische Kriegsvorbe-
reitungen beobachtet – ließen Ferdinand Anfang Juni die Entscheidung treffen,
den Reichstag nun doch so schnell wie möglich beginnen zu lassen, ihn aber
nicht selber zu eröffnen56. Diese Aufgabe übertrug er seinem Schwiegersohn
51 Bundschuh, S. 114 spricht zunächst von einer „Kapitulation“ Ferdinands vor August, schwächt
dann aber ab. Kurze, S. 24f spricht hingegen von einem „Sieg der österreichischen Diplomatie“,
weil der „persönliche Charme und das politische Geschick König Ferdinands den Kurfürsten
für sich und die habsburgische Sache gewonnen“ hätten.
52 HHStA Wien, RK RTA 36, fol 231–236: Instruktion für Zasius v. 18.12.1555, zur Türkenfrage
bes. fol 232v-233v
53 HHStA Wien, ebda, fol 296–298: F. an Kurfürst Joachim, 7.5.1556; Auszug bei Bundschuh, S.
115 Anm. 136
54 HHStA Wien, ebda, fol 305–306: Joachim an F., Mittwoch nach Exaudi (=21.5.) 1556
55 Ein anders akzentuierendes Urteil bei Bundschuh, S. 116
56 HHStA Wien, ebda, fol 303r-304r: F. an seine für den Reichstag abgestellten Räte Graf Helfen-
stein, Georg Ilsung und Wilhelm Truchseß von Waldburg, Wien, 4.6.1556 (sie sollen ihn bei den
Reichsständen entschuldigen); ebda, fol 305r-310r: Instruktion für Otto von Neidegg zur Wer-
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien