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Die erste Phase des Reichstages 153
Haltung des Papstes bekannt sei, wolle sich „auch nit leichtlich tieff einlas-
sen“70. Obwohl die Religionsfrage in der Proposition noch an erster Stelle
stand, war ihre Dringlichkeit deutlich heruntergestuft: In Verengung der An-
kündigung im Augsburger Abschied war jetzt nur noch von Verhandlungen
darüber die Rede, „ob und wie der weg und maß zu finden und zu treffen sein,
dardurch die lang begert cristlich vergleichung unserer heilligen religion und
glaubens sache ... erlangt werden möge“71. Und im Unterschied zur Proposition
des Vorjahres wurden diesmal die verschiedenen Möglichkeiten nicht aufge-
zählt und ihre Eignung bewertet. Ferdinand machte gegenüber Herzog Al-
brecht kein Hehl daraus, daß er mit dieser zurückhaltenden Unbestimmtheit
einem Fingerzeig von protestantischer Seite folgte72. Er hatte sich also ent-
schlossen, die Empfehlungen des Kurfürsten August aufzugreifen und nicht die
des Herzogs Christoph von Württemberg, der im Frühjahr geraten hatte, der
König möge sich erklären, welchen Weg – Colloquium, Nationalversammlung
oder Generalkonzil – er bevorzuge73. Seine Räte wies Ferdinand an, falls die
Religionsfrage entgegen seiner Erwartung doch als erster Punkt vorgenommen
werden sollte, seinen bekannten Eifer für die christliche Einigung zu betonen,
aber ihrerseits Zweifel am Erfolg zum jetzigen Zeitpunkt anzumelden und „be-
huetsam“ für die Vertagung zu votieren; als Gründe könnten sie vorbringen, es
wären zu wenige Fürsten persönlich anwesend, und die Verschiebung sei un-
schädlich, weil die Augsburger Friedenszusagen ja gültig blieben74. Das erste
Argument signalisiert Ferdinands Willen, die Beratungen in der Religionsfrage
in seiner eigenen Hand zu behalten, den er gegenüber Delfino eindeutig zum
Ausdruck gebracht hat75. Falls es doch zur Erörterung des Themas käme, er-
wartete er, daß die Reichstagsleitung ihn auf dem laufenden hielt und seine
Entscheidungen einholte76. Daß die Vereinbarungen zum Religions- und Pro-
fanfrieden nicht zur Disposition stünden, „wo anderst glauben und trauen er-
halten werden solle“, bezeichnete Ferdinand auch gegenüber Herzog Albrecht
als Grundvoraussetzung jeder Erörterung der Religionsfrage: Kein Stand habe
da noch irgendetwas „zu grüblen noch zu begern“77. Dennoch mußte er prote-
stantische Vorstöße mit dem Ziel, ihre unerfüllt gebliebenen Forderungen doch
noch durchzusetzen, einkalkulieren – Ende Juni schickte Zasius aus Augsburg
70 Instruktion für Neidegg (wie Anm. 56), fol 307r/v; längeres Zitat bei Bundschuh, S. 127 Anm. 17
71 Proposition, fol 365r. Der Augsburger Abschied ist auch nicht korrekt zitiert, sondern wird in
verengender Weise referiert.
72 Instruktion für Neidegg (wie Anm. 56), fol 307v. Natürlich nannte er August von Sachsen nicht
namentlich.
73 Ernst, Bw. 4, Nr. 20, S. 21f
74 Instruktion v. 3.7., fol 332r/v
75 Die Beratungen unter Albrechts Leitung würden nicht Einzelfragen des Glaubens betreffen,
sondern nur das Verfahren, wie man zu Einheit gelangen könne. „Et questo – disse S. Mta – non
ci può far troppo danno, perchè tali consulta hanno a venir popi in mano mia, et io non appro-
barò se non quello che starà bene“ (NB I 17, S. 278f: Bericht Delfinos v. 20.7.1556).
76 So in seinem Schreiben an Herzog Albrecht v. 15.7.1556, (HHStA Wien, RK RTA 36, fol 401–
402, Konz.), auch wenn es dort als Hilfsangebot formuliert ist, um Albrecht zu bewegen, dem
Reichstag weiter zu präsidieren.
77 Brief an Albrecht v. 2.7. (wie Anm. 59), fol 327r
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien