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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag154
eine neue Warnung78; aber solche Versuche gedachte Ferdinand als unzulässig
abzuweisen.
Es handelt sich also keineswegs um ein „unklares Nebeneinander sich wider-
sprechender Direktiven in Proposition und Instruktion“79, sondern um ein
taktisches Manöver Ferdinands. Er gedachte seine Reichsstandschaft als Erz-
herzog von Österreich zu nutzen, um den zur Fessel gewordenen Vorgaben des
Augsburger Reichstagsabschieds für den Folgereichstag zu entkommen und der
veränderten politischen Situation sowie den Stimmungen in beiden konfessio-
nellen Lagern Rechnung tragen zu können. Abweichungen von der Reihenfolge
einer Proposition waren von den Reichsständen schon etliche Male durchge-
setzt worden80 – es gab ja keine verbindlich festgelegte „Geschäftsordnung“;
neu war, daß diesmal der Aussteller der Proposition selbst die Änderung bean-
tragen wollte und sich dabei auf den Umweg über den Fürstenrat verwiesen
sah.
Trotz aller Gegenvorstellungen Ferdinands verließ Herzog Albrecht den
Reichstag zwei Tage nach der Verlesung der Proposition wieder81. Für den
Gang der Geschäfte war es nicht eben förderlich, daß die Leitung des Reichsta-
ges infolgedessen monatelang von Räten des Königs wahrgenommen werden
mußte. Die hatten nicht nur die Sorge, man könne ihnen Vermischung der kö-
niglichen Funktionen mit den österreichischen Belangen vorwerfen, so daß
Ferdinand sie anwies, eindeutig klarzustellen, er beabsichtige keine Vermen-
gung der Interessen82. Graf Georg von Helfenstein, der Ranghöchste unter
ihnen, hatte nur wenig Reichstagserfahrung und besaß nicht genügend Autori-
tät, um die Stände zu zügigen Verhandlungen zu bestimmen83. Da Ferdinand
seinen gleichnamigen Sohn aber mit dem Oberbefehl in Ungarn betraute und
sich nicht entschließen konnte, dem im September aus den Niederlanden zu-
rückgekehrten Maximilian seine Vertretung am Reichstag zu übertragen, dau-
erte dieser Zustand bis zum Dezember84. Dann erst traf Ferdinand selbst in
Regensburg ein.
Dort war man zu diesem Zeitpunkt in den Sachfragen fast gar nicht weiter
gekommen, weil man sich an jenen Verfahrensfragen festgebissen hatte, die
vorentscheidend für Erfolg oder Mißerfolg der mit dem Reichstag verfolgten
Ziele des Königs bzw. der protestantischen Stände sein konnten. Gerade hierbei
hatten die königlichen Vertreter mit der Umsetzung ihrer Instruktionen
Schwierigkeiten. Die deshalb zwischen ihnen und Ferdinand gewechselten
78 Goetz, Beiträge, S. 34: Zasius an F., Augsburg, 28.6.1556; vgl. Bundschuh, S. 127 Anm. 18
79 So Bundschuh, S. 126
80 Vgl. Oestreich, Arbeitsweise, S. 223f.
81 Ferdinands Einspruch, er habe die Weigerung, nicht mehr als die Proposition zu übernehmen,
„nit gern gehört“, kam schon zu spät (wie Anm. 76, fol 401r).
82 HHStA Wien, RK RTA 36, fol 430r-431r: F. an Gesandte, 20.7.1556 (Konz.)
83 Schon bald meinten sie, solange der König nicht persönlich erscheine, bestehe kaum Hoffnung
auf Ergebnisse (HHStA Wien, ebda, fol 497r: Kommissare an F., 25.8.1556).
84 Ob dieses Zögern Ferdinands auf Forderungen Maximilians nach umfassenden Vollmachten
auch in der Religionsfrage zurückzuführen ist, sei dahingestellt (so Wolf, Protestanten, S. 24 und
Holtzmann, S.294). Herzog Christoph wollte das von Maximilian selbst erfahren haben (Ernst,
Bw. 4, Nr. 135, S. 147).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien