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Kapitel 2: Der Regensburger
Reichstag156
nungsaustausch gegeben, der aber zu keinem Einvernehmen geführt hatte92.
Gegen die vor allem von Kursachsen empfohlene Linie, man solle sich in der
Religionsfrage mit einer Bestätigung des Religionsfriedens begnügen und den
Wünschen des Königs bei der Türkenhilfe entsprechen, stand die von Chri-
stoph von Württemberg und besonders nachdrücklich vom neuen Pfälzer
Kurfürsten Ottheinrich vertretene Ansicht, die „Freistellung“93 zum zentralen
Thema im Rahmen des Tagesordnungspunktes „Religion“ zu machen und auf
seiner unbedingten Priorität zu beharren94. Die rigorose Haltung Ottheinrichs,
der die Angelegenheit als Gewissenssache betrachtete, machte es den sächsi-
schen Vertretern mit ihrer primär politischen Argumentation von Mal zu Mal
schwerer, und die Unterstützung von Ständen wie Brandenburg und Hessen,
die ihnen zunächst in der Sache beipflichteten, wurde schwächer95.
Als der Kurfürstenrat am 24. September endlich die Besprechungen über die
Proposition aufnahm, stellte Pfalz den Antrag, vordringlich über den Punkt
„Religion“ zu beraten, ohne inhaltlich zu präzisieren; Sachsen sekundierte mit
der Begründung, das sei immer der erste Gegenstand gewesen, auch sei „den
menschen nit hohers von noten dan der religion vergleichung“, und Branden-
burg ergänzte, an sich hätte gemäß Passauer Vertrag die Religion schon in
Augsburg als erster Punkt behandelt werden müssen96. Die Vertreter von Trier
und Köln, die zuerst für Vorziehen der Türkenhilfe plädiert hatten, gaben nach.
In einer anschließenden internen Sitzung der protestantischen Mitglieder aus
Fürsten- und Kurfürstenrat konnte sich Pfalz dann damit durchsetzen, sofort
die Freistellung zu verlangen, denn weder Kursachsen noch die anderen, die das
Bedenken teilten, der Religionsfrieden könnte durch diesen Vorstoß gefährdet
werden, wollten sich „absondern97; niemand mochte sich dem Vorwurf der
Lauheit aussetzen. Also verlangte Pfalz am 30. September im Kurfürstenrat die
uneingeschränkte Übertrittsmöglichkeit für alle Geistlichen, Sachsen und Bran-
denburg schlossen sich in weniger schroffen Voten an. Im Fürstenrat wurde der
gleiche Antrag vom ernestinischen Sachsen eingebracht und von allen Prote-
stanten unterstützt, wobei Württemberg gegen interne Vereinbarungen sogar
den Übertritt der Untertanen hinzufügte98. Damit enthüllten die Württember-
ger, was die Katholiken ohnehin unterstellt hatten: Es ging den Protestanten um
viel mehr als nur den Konfessionswechsel einiger Prälaten; wie Zasius formu-
92 Dazu vgl. Wolf, Protestanten, S.7ff, Westphal, S. 31ff, Bundschuh, S. 108ff u. S. 116ff mit Quel-
lennachweisen; Luttenberger, Kurfürsten, S. 268f
93 Allgemein zur Vieldeutigkeit des Begriffs Westphal, S. 6f. Im Sommer 1556 meinten die Prote-
stanten damit in erster Linie die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts.
94 Zu Ottheinrich grundlegend Kurze, dort S. 94 Anm. 25 viele Quellenbelege; ferner: Wolf, Prote-
stanten, S. 17 u. S. 234ff, Hollerbach, S. 208f, Westphal, S. 39; zu Christoph s. seine Aufzeich-
nung bei Ernst, Bw. 4, S. 164f
95 Zu den Einzelheiten vgl. Westphal, S. 46–49, Wolf, Protestanten, S. 25–28, Bundschuh, S. 138f,
143f, 152f. Die württembergischen Berichte bei Ernst, Bw. 4, S. 132ff und S. 149ff
96 HHStA Wien, MEA RTA 43: Mainzer Protokoll (mit Seiten-Numerierung!), hier S. 81: Eintrag
zum 24.9.1556
97 Vgl. Ernst, Bw 4, S. 170–172 (Bericht v. 26.9.1556); Bundschuh, S. 153
98 Bundschuh, S. 153f. mit Nachweisen. Die Kritik am Vorprellen Württembergs erwähnte Zasius
im Bericht vom 1.10. 56 (HHStA, RK RTA 37, fol 159r-161v + 163r, Or.).
CC BY-NC-ND 4.0 | DOI https://doi.org/10.17438/978-3-402-21806-8
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Ferdinand I. als Kaiser
Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Title
- Ferdinand I. als Kaiser
- Subtitle
- Politik und Herrscherauffassung des Nachfolgers Karls V.
- Author
- Ernst Laubach
- Publisher
- Aschendorff Verlag
- Location
- Münster
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-402-18044-0
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 786
- Keywords
- Ferdinand I., Karl V., 16. Jahrhundert, Kaisertum, Reformation, Geschichte, Konfession
- Category
- Biographien